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  • Gedenkbuch

Morawec, Ernst

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Lebensdaten
1894-06-15 – 1980-04-17
Weitere Namen
  • Morawec, Ernest Emil
  • Moravec, Ernst
  • Morawetz, Ernst

Biografie

Ernst Morawec

geb. 15.06.1894 in Wien, gest. 17.04.1980 in Wien
Alternative Namen: geb. Ernest Emil Morawec, auch Moravec, falsch Morawetz

Ernest Emil „Ernst“ Morawec kam am 15. Juni 1894 als Sohn von Cornelia (geb. Hawran) und dem Schuhmachergehilfen Karl Morawec in Wien zur Welt.

1909/10 begann er, der bereits „seit frĂŒhester Kindheit“ öffentlich aufgetreten war, ein Violinstudium zunĂ€chst bei Gottfried Feist und ab 1911/12 bei Julius Stwertka an der mdw (damals k. k. Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst in Wien). 1914 legte er die ReifeprĂŒfung mit vorzĂŒglichem Erfolg ab und wurde fĂŒr die erbrachte Leistung mit einer PrĂ€mie bedacht. 1914/15 setzte er seine Ausbildung in der Meisterschule fĂŒr Violine bei Otakar Ć evčík fort, musste jedoch bereits im Oktober 1914 seinen MilitĂ€rdienst antreten. Obwohl zu dieser Zeit vom Studium beurlaubt, erhielt er 1915 eine der beiden fĂŒr die zwei besten Violinstudierenden der Akademie gestifteten Meistergeigen. Der fĂŒr seinen Einsatz an der Front im Ersten Weltkrieg mehrfach ausgezeichnete Morawec kehrte nach der Ableistung seines MilitĂ€rdienstes an die mdw zurĂŒck und besuchte 1918/19 die Meisterschule fĂŒr Violine bei Arnold RosĂ©.

1920 wurde Morawec Erster Solobratschist im Orchester der Wiener Staatsoper und Mitglied der Wiener Philharmoniker, 1929 erfolgte seine Aufnahme in die Hofmusikkapelle. Ab den 1920er-Jahren trat er mit mehreren Ensembles – dem Feist-Quartett, dem Mairecker-Buxbaum-Quartett (auch: Buxbaum-Quartett bzw. Mairecker-Quartett) sowie dem Schneiderhan-Quartett – als Kammermusiker in Erscheinung und konzertierte darĂŒber hinaus mit prominenten Persönlichkeiten der Zeit wie Felix Weingartner, Richard Strauss, BronisƂaw Hubermann, Pau (auch: Pablo) Casals und Wilhelm Backhaus.

1922 heiratete Morawec die Medizinstudentin Jeanette Schreiber (1898-1980) standesamtlich, nach deren Austritt aus der Israelitischen Kultusgemeinde und der Konversion zur katholischen Religion erfolgte 1931 die kirchliche Trauung des Paares.

Morawec, der bereits wĂ€hrend seiner Studienzeit Unterricht erteilt hatte, kam 1930 als Lehrer fĂŒr das Hauptfach Violine an die mdw (damals Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst), ab dem nĂ€chsten Jahr wurde seine Lehrverpflichtung um das Hauptfach Viola, 1937 um Kammermusik und das Nebenfach Viola erweitert. Nach dem ‚Anschluss‘ wĂ€re Morawec aufgrund seiner Ehe mit einer nach den nationalsozialistischen Rassengesetzen als jĂŒdisch geltender Frau zu kĂŒndigen gewesen. In einem im Mai 1938 dem Österreichischen Unterrichtsministerium erstatteten Bericht ĂŒber „Personalmassnahmen“ kĂŒndigte der kommissarische Leiter Alfred Orel an, einen Antrag auf Weiterbelassung zu stellen, da Morawec „einer unserer besten ViolinpĂ€dagogen“ sei. Außerdem hĂ€tte ihm dieser „erklĂ€rt, dass er mit seiner Frau seit 18 Jahren glĂŒcklich verheiratet sei und es als unanstĂ€ndig empfinde, sich jetzt aus KonjunkturrĂŒcksichten von ihr zu trennen“ – ein Verhalten, das ihm Orel als „absolut anstĂ€ndig“ anrechnete.

Die endgĂŒltige Entscheidung ĂŒber seinen Verbleib an der mdw dauerte – ebenso wie bei den Wiener Philharmonikern – bis zum Ende des darauffolgenden Jahres. Noch im Herbst 1939 wurde seitens des Ministeriums nachgefragt, ob es sich bei den beantragten Belassungen (auch Gottfried Freiberg war davon betroffen) „um Fachleute besonderer Art“ handeln wĂŒrde, „die ohne weiters [sic] nicht ersetzt werden können“. Zudem solle die „dienstliche Unentbehrlichkeit [
] entsprechend begrĂŒndet werden. “ Bei den Wiener Philharmonikern dĂŒrfte sich deren Vorstand Wilhelm Jerger fĂŒr den Verbleib Morawec‘ eingesetzt haben, seine Interventionen fĂŒr die Betroffenen „hĂ€tten Auftrittsverbote und Gestapo-Vorladungen aufgehoben, Deportationen von Familienmitgliedern verhindert und Arbeitserleichterungen verschafft“, wie Silvia Kargl und Friedemann Pestel in einem Beitrag zur Geschichte der Wiener Philharmoniker unter anderem aus einem Brief von Jeanette Morawec zitierten.

FĂŒr das Studienjahr 1937/38 ist bei zwei seiner Studierenden (Kurt Kohn und Kurt Löbl) bekannt, dass Morawec, obwohl sie den Unterricht nach dem ‚Anschluss‘ nicht mehr besuchten, dennoch Benotungen vornahm. Es ist wahrscheinlich, dass er ihnen damit den Erhalt eines Jahreszeugnisses ermöglichen wollte – was nach der Flucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung hilfreich sein konnte, um anderswo das Studium fortzusetzen oder einen musikalischen Beruf zu ergreifen. Susanne Rosenbaum erteilte er nach dem ‚Anschluss‘ bei sich zuhause Unterricht und riet ihr – wie sie in einem Interview erzĂ€hlte – zur Emigration.

Morawec blieb die gesamte Zeit des Nationalsozialismus an der mdw beschĂ€ftigt. 1959 wurde er zum o. Professor ernannt, seine Emeritierung erfolgte nach einem sogenannten „Ehrenjahr“ 1965, danach blieb er noch ein weiteres Jahr als Lehrbeauftragter am Haus. Neben seiner Anstellung an der mdw, an der er von 1950 bis 1954 die Abteilung fĂŒr Streich- und Saiteninstrumente leitete, und seinen musikalischen Engagements unterrichtete Morawec an der Internationalen Sommerakademie der UniversitĂ€t Mozarteum Salzburg (damals Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst Mozarteum in Salzburg), an der Musikhochschule ZĂŒrich, der Sommerakademie Helsinki sowie der UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Graz (damals Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst in Graz) und war international als Juror bei Wettbewerben tĂ€tig.

In WĂŒrdigung seiner kĂŒnstlerischen und pĂ€dagogischen Verdienste wurde Morawec vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Professortitel, der Nicolai- Medaille und dem Goldenen Ehrenring der Wiener Philharmoniker, der Silbernen Medaille der Hofmusikkapelle, der Ehrenmedaille der Stadt Wien in Silber, dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich und der Ehrenmitgliedschaft der UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Graz.

Ernst Morawec starb am 17. April 1980, nur wenige Wochen nach seiner Ehefrau. An seinem ehemaligen Wohnhaus in der Diesterweggasse 10 im 14. Wiener Gemeindebezirk erinnert eine von den Wiener Philharmonikern gewidmete Gedenktafel an ihn.

Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Personalakt Ernst Morawec; Matrikelblatt 380/1/1911; 94/Res/1938 [„Reorganisation der Staatsakademie, Personalmassnahmen“ S. 6]; 422/Res/1939.
data.matricula-online.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre Inzersdorf, Taufbuch Bd. 21, fol. 66 u. Pfarre Penzing, Trauungsbuch Bd. 36, fol. 17.
K. k. Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst in Wien (Hg.), Jahresbericht der k. k. Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst ĂŒber das Schuljahr 1909-1910, Wien 1910, S. 89.
K. k. Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst in Wien (Hg.), Jahresbericht der k. k. Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst ĂŒber das Schuljahr 1910-1911, Wien 1911, S. 89.
K. k. Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst in Wien (Hg.), Jahresbericht der k. k. Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst ĂŒber das Schuljahr 1914/15, Wien 1915, S. 20 u. S. 162.
genteam.at: IKG-Austritte.
Bernadette Mayrhofer und Fritz TrĂŒmpi, Orchestrierte Vertreibung. UnerwĂŒnschte Wiener Philharmoniker. Verfolgung, Ermordung und Exil, Wien 2014, S. 51-52.
wphdata.blob.core.windows.net: Silvia Kargl und Friedemann Pestel, Ambivalente LoyalitÀten: Beziehungsnetzwerke der Wiener Philharmoniker zwischen Nationalsozialismus und Nachkriegszeit, 1938 - 1970, Durchgesehene und aktualisierte Version MÀrz 2017, S. 7 u. S. 37.
geschichtewiki.wien.gv.at: Artikel „Ernst Morawec“.
Erik Werba, „In Memoriam Ernst Morawec“, in: Österreichische Musikzeitschrift, Jg. 35, H. 6, S. 306.
austria-forum.org: Eintrag „Ernst Morawec Gedenktafel“.

Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Ernst Morawec, in: Gedenkbuch fĂŒr die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons//4ae9aa86-2b0d-463b-bc8a-85866aa776fa/)

Letzte Änderung: 14.11.2024