Weingarten, Paul
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2024-06-03T15:23:06Z
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dc.date.available
2024-06-03T15:23:06Z
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Paul Weingarten
geb. 20.04.1886 in BrĂŒnn, MĂ€hren (Brno, CZE), gest. 11.04.1948 in Wien
Paul Weingarten kam am 20. April 1886 als Sohn von Wilhelmine (geb. Saxl) und Dr. Karl Weingarten, einem Rechtsanwalt und spĂ€teren Juristen am Verwaltungsgerichtshof, in BrĂŒnn (Brno, CZE) zur Welt. Ab dem Alter von sieben Jahren lernte er privat Klavier bei Marie Katholicky und erhielt spĂ€ter zusĂ€tzlich Theorieunterricht bei Otto Kitzler. Nach Ablegung der Matura besuchte er von 1904/05 bis 1905/06 die Meisterschule fĂŒr Klavier bei Emil Sauer an dem von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien gefĂŒhrten Konservatorium fĂŒr Musik und darstellende Kunst (der VorgĂ€ngereinrichtung der mdw) und schloss seine Ausbildung 1906 mit der Ablegung der DiplomprĂŒfung ab. FĂŒr die erbrachte Leistung wurde er mit dem von Emil Sauer gestifteten Nikolaus-Rubinstein- Preis ausgezeichnet. Weingarten studierte auĂerdem Musikwissenschaft an der UniversitĂ€t Wien und promovierte 1910 mit der Vorlage der Dissertation âDie Sonatenproduktion der Wiener Zeitgenossen von Haydn und Mozart von 1775â1825â zum Doktor der Philosophie.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs machte Weingarten, der bereits seit seiner Jugendzeit öffentlich aufgetreten war, Karriere als Pianist, die ihn in zahlreiche europĂ€ische LĂ€nder sowie in den asiatischen Raum fĂŒhrte. DarĂŒber hinaus trat er als Kammermusiker in Erscheinung und konzertierte u.a. vierhĂ€ndig mit Friedrich WĂŒhrer.Im September 1921 kam Weingarten als Lehrer fĂŒr Klavier an die mdw (damals Akademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst). Im Sommersemester 1923 erhielt er einen Lehrauftrag im Rahmen der neu eingefĂŒhrten âHochschulseminarienâ und unterrichtete ab 1924 zunĂ€chst als Dozent an der parallel zur Akademie bestehenden Fachhochschule fĂŒr Musik und darstellende Kunst, 1928 erfolgte seine Ernennung zum ao. Professor an dieser Institution. Seine Lehrverpflichtung an der Akademie blieb davon unberĂŒhrt. Nach der Auflösung der Fachhochschule ĂŒbernahm Weingarten 1931 die Leitung einer Spezialklasse fĂŒr moderne Klavierliteratur an der aus der Wiedervereinigung der beiden Institutionen entstandenen Staatsakademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst in Wien, 1933 wurde er mit der Leitung einer Meisterklasse fĂŒr Klavier betraut.
Ab Mitte MĂ€rz 1936 lieĂ sich Weingarten fĂŒr ein Jahr karenzieren, um am kaiserlichen Konservatorium in Tokio (TĆkyĆ Ongaku GakkĆ) zu unterrichten und in Japan sowie in China zu konzertieren, 1937 verlĂ€ngerte er seine Beurlaubung um ein weiteres Jahr. Kurz vor seiner Abreise nach Japan hatte er GrĂ€fin Anna BatthyĂĄny (1909-1992) geheiratet, 1937 kam das erste Kind des Paares zur Welt, drei weitere folgten.Nach dem Ende seiner BeschĂ€ftigungszeit am Konservatorium verlieĂ Weingarten Japan und machte auf seiner RĂŒckreise nach Europa auf Hawaii Station, wo er am 18. MĂ€rz ein Konzert in Honolulu gab. Mit dem Schiff in Italien angekommen, blieb er zunĂ€chst in Rom, von wo aus er sich im Juni 1938 brieflich an die mdw wandte.
â [I]nfolge der geĂ€nderten VerhĂ€ltnisseâ wĂ€re er hinsichtlich seiner weiteren LehrtĂ€tigkeit âim Unklarenâ und ersuchte
âhöflichst um freundliche AufklĂ€rung, welche Schritte ich unternehmen soll, um nicht gegen die nunmehr geltenden Vorschriften zu verstoĂen und um nicht meine durch meine pragmatische Anstellung erworbenen AnsprĂŒche zu gefĂ€hrdenâ.
Nach RĂŒcksprache mit dem Ministerium fĂŒr innere und kulturelle Angelegenheiten antwortete der nach dem âAnschlussâ eingesetzte kommissarische Leiter der mdw, Alfred Orel, dass entsprechend § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums âJĂŒdische Beamte, Beamte, die jĂŒdische Mischlinge sind u. Beamte, die mit einer JĂŒdin, einem Juden oder mit einem Mischling 1. Grades verheiratet sindâ in den Ruhestand zu versetzen seien und fuhr fort:
âDa Sie den vorgeschriebenen neuen Diensteid [auf Adolf Hitler, Anm.] nicht abgelegt haben, muss ich bis zum Beweise des Gegenteils annehmen, dass Sie infolge Abstammung von mehr als 2 jĂŒdischen Grosseltern nicht berechtigt waren, diesen Eid abzulegen und daher unter die Bestimmung des zitierten § fallen. Sollte dies nicht der Fall sein, so wollen Sie umgehend jedenfalls aber bis 20. Juli den Nachweis ihrer arischen Abstammung erbringen. â
Sollte Weingarten â er war 1904 zur evangelischen Religion und 1936 zum katholischen Glauben konvertiert â die entsprechenden Dokumente nicht vorlegen können, âmĂŒsste Ihr Fall nach dem genannten § behandelt werdenâ, wobei Orel noch hinzufĂŒgte, âdass der Genuss eines Ruhegehaltes im Ausland an eine besondere Bewilligung des Finanzministeriums gebunden ist. â Auch Orels Nachfolger als Leiter der mdw, Franz SchĂŒtz, hielt den Antrag auf Pensionierung Weingartens aufrecht, die mit Ende November 1939 erfolgte.
Weingarten, der sich vom Herbst 1938 bis mindestens Ende Mai 1939 in GroĂbritannien aufgehalten hatte und mittlerweile in Budapest (HUN) lebte, wandte sich im Februar 1940 an das Ministerium fĂŒr innere und kulturelle Angelegenheiten, da er mehrfach âauf direktem sowie auf indirektem Wege von der Akademie eine genauere Auskunftâ die Auszahlung seiner Pension betreffend zu erhalten versucht hatte, er aber âlediglich ermitteln [konnte], dass der betreffende Akt noch nicht erledigt seiâ und bat darum, âin meinem Fall urgieren zu wollenâ. Anfang MĂ€rz antwortete die mdw ihm sowie dem von ihm ein geschalteten Anwalt, das Ministerium hĂ€tte mitgeteilt,
âdass infolge der Tatsache, dass sie von dem Ihnen bis 31.3.1938 gewĂ€hrten Auslandsurlaub nicht zurĂŒckgekehrt sind, Ihr DienstverhĂ€ltnis [âŠ] mit der Massgabe als beendet erklĂ€rt wird, dass Sie alle aus diesem DienstverhĂ€ltnis fliessenden Befugnisse, Rechte und AnsprĂŒche fĂŒr sich als auch fĂŒr Ihre Angehörigen verloren haben.âWeingarten ĂŒberlebte die Zeit des Nationalsozialismus in Ungarn, seine Schwester Elisabeth wurde am 11. JĂ€nner 1942 von Wien nach Riga (Riga, LVA) deportiert und wurde Opfer der Shoah. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft meldete sich der aus Budapest zurĂŒckgekehrte Weingarten am 30. Juli 1945 zum Dienstantritt an der mdw und ĂŒbernahm ab dem 1. September eine Hauptfachklasse fĂŒr Klavier. Im Oktober ersuchte AkademieprĂ€sident Karl Kobald, âim Zuge der Wiedergutmachung Prof. Paul Weingarten zum Ordinarius zu ernennen. â Der gleiche Antrag wurde auch von Kobalds Nachfolger Hans Sittner im November 1946 erneut gestellt, blieb jedoch erfolglos.
Paul Weingarten starb am 11. April 1948 in Wien und wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Personalakt Paul Weingarten; 359/Res/1938; 106/Res/1938; 523/Res/1939; 96/Res/1940; 102/Res/1945; 378/Res/1945.
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Hg.), Statistischer Bericht ĂŒber das Konservatorium fĂŒr Musik und darstellende Kunst [âŠ] fĂŒr das Schuljahr 1904-1905, S. 100.
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Hg.), Statistischer Bericht ĂŒber das Konservatorium fĂŒr Musik und darstellende Kunst [âŠ] fĂŒr das Schuljahr 1905-1906, S. 100 u. S. 173.
mza.cz/actapublica/matrika: Ev. Kirchengemeinde A.B. u. H.B. in BrĂŒnn, Taufbuch 1904, fol. 149.
data.matricula-online.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre St. Karl BorromÀus, Trauungsbuch Bd. 30, fol. 146 (1936) [dort Hinweis auf die katholische Taufe in der Pfarre Maria Rotunda am 16.03.1936].
anno.onb.ac.at: Wiener Zeitung, 31.01.1885, Amtsblatt, [S. 175]; Neue Freie Presse, 06.01.1911, S. 7; Die Stunde, 05.02.1936, S. 4; Neues Wiener Abendblatt [Neues Wiener Tagblatt, Abendausgabe], 11.02.1936, S. 4; Salzburger Nachrichten, 05.09.1946, S. 6.
newspapers.com: Honolulu Star-Bulletin, 12.03.1938, S. 38; Honolulu Star-Bulletin, 19.03.1938, S. 6; The Daily Telegraph, 23.02.1939, S. 10.
ancestry.com: UK and Ireland, Incoming Passenger Lists.
biographien.ac.at: Ruth MĂŒller, Artikel âWeingarten, Paul (1886â1948), Pianist und MusikpĂ€dagogeâ.
Erich H. MĂŒller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden 1929, Sp. 1539.
doew.at: Personendatenbank.
friedhoefewien.at: Verstorbenensuche.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Paul Weingarten, in: Gedenkbuch fĂŒr die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw â UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons//073516a0-cb03-4bce-8e41-f0399f614463/)Letzte Ănderung: 14.11.2024
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mdwrepo.person.dateOfDeath
1948-04-11
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1886-04-20
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Weingarten
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Paul