Jahn-Beer, Berta
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Externe Identifikatoren
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PersonengruppeLehrende
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Geburtsdatum1883-03-01
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Sterbedatum1942-01-22
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Beschreibung
Berta Jahn-Beer
geb. 01.03.1883 in Wien, gest. 22.01.1942 in Milton, MA (USA)
Alternative Namen: geb. Bertha Sabine Philomena JahnBerta Jahn-Beer kam am 1. März 1883 als Bertha Sabine Philomena Jahn, Tochter von Bertha (geb. Rupp) und Bernard [sic] (auch: Bernhard) Jahn in Wien zur Welt. Ihre erste musikalische Ausbildung erhielt sie durch ihren Vater, einen Musiker und Musiklehrer. Im Alter von sechs Jahren begann sie ihre Klavierstudien bei Theodor Leschetitzky, wobei sie die ersten vier Jahre von seinen Assistentinnen, die folgenden acht Jahre von ihm selbst unterrichtet wurde. Neben ihrer pianistischen Ausbildung erhielt Jahn musiktheoretischen Unterricht bei Johanna Müller-Hermann und für kurze Zeit auch bei Heinrich Schenker. Bereits seit 1895 war sie als Wunderkind bei Konzerten öffentlich aufgetreten und beendete wegen ihrer ausgedehnten Konzerttätigkeit im In- und Ausland schließlich ihre Ausbildung bei Leschetitzky. 1905 heiratete sie den Ingenieur Dr. Friedrich „Fritz“ Beer (1877-1941), im Jahr darauf wurde ihr Sohn Gustav geboren, 1908 folgten Sohn Franz und 1912 Tochter Maria, die jedoch bereits 1925 starb.
Als Jahn-Beer im Dezember 1927 ihre Lehrtätigkeit an der mdw (damals Akademie für Musik und darstellende Kunst) aufnahm, konnte sie nicht nur auf eine erfolgreiche Karriere als Solistin und Kammermusikerin, sondern auch auf eine 30-jährige Tätigkeit als Klavierpädagogin zurückblicken, die sie als Assistentin Leschetitzkys begonnen hatte. An der Akademie zunächst für das Nebenfach Klavier aufgenommen, unterrichtete sie ab 1934 Klavier als Hauptfach.
Aufgrund der jüdischen Herkunft ihres Mannes wurde Berta Jahn-Beers Vertrag Ende Mai 1938 mit 31. August gekündigt, jedoch stellte der kommissarische Leiter Alfred Orel Anfang Juli den Antrag, sie weiter beschäftigen zu dürfen. Er wies darauf hin, dass sie „zweifellos eine ausgezeichnete Lehrkraft“ sei und „als einzige Vertreterin der Methode Leschetitzky eine in Wien beheimatete Tradition erfolgreich fortführt“. Auch „in persönlicher Hinsicht“ sei, „abgesehen von ihrer Verheiratung mit einem Juden, nichts einzuwenden“, und „von irgend ein [e] r politischen Betätigung“ könne „bei ihr nicht die Rede sein“.
Dem Ansuchen wurde stattgegeben und die Kündigung Ende Juli zurückgezogen. Franz Schütz, Orels Nachfolger als Leiter, erklärte sich noch Anfang September damit „vollkommen einverstanden“. Eine Woche danach schrieb er jedoch an das Ministerium, dass er „nicht in der Lage“ sei, den Antrag „aufrecht zu erhalten“ und bat um „raschestmögliche Ermächtigung“, das Dienstverhältnis aufzulösen. Kurz darauf ersuchte er „nach Fühlungnahme mit dem Referenten im Ministerium“, den vorgelegten Kündigungsantrag „als gegenstandslos zu betrachten“, um in dem gleichen Schreiben erneut einen zu stellen: Nun sollte der Vertrag mit Ende Dezember 1938 beendet werden. Ergänzend beantragte er auch die Genehmigung der Beurlaubung Jahn-Beers, deren „Mitwirkung bei den Aufnahmsprüfungen“ er ebenso verhindern wollte wie ihre „Wiederaufnahme des Unterrichts“. Die endgültige Lösung des Vertrags erfolgte schließlich mit 31. März 1939.
Jahn-Beer folgte 1939 ihrem Sohn Franz, der bereits im Jahr zuvor nach Großbritannien geflohen war, ins Exil und lebte bei ihm und seiner Frau in Leicester. Ihr Mann und ihr Sohn Gustav blieben in Wien; vermutlich lag es an Jahn-Beer, vom Ausland aus für deren Flucht zu sorgen. Im Mai 1939 erhielt sie die Zusage, ab dem Studienjahr 1939/40 an der Longy School of Music in Cambridge (Massachusetts, USA) zu unterrichten. Durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs verzögerte sich ihre Abreise, weswegen sie erst am 12. Dezember 1939 mit der S. S. Statendam in den USA (New York, NY) ankam und ihre Stelle mit mehrmonatiger Verspätung antrat.
Berta Jahn-Beer starb am 22. Jänner 1942 in ihrem US-amerikanischen Exil in Milton (Massachusetts), USA.
Ihre in Wien verbliebenen Angehörigen erlebten das Ende des Zweiten Weltkriegs nicht: Ihr Ehemann starb am 9. März 1941 in Wien, ihr Sohn Gustav kam am 21. Februar 1945 bei einem Luftangriff auf Wien ums Leben. Jahn-Beers ins britische Exil geflohener Sohn Franz starb dort 1978.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Personalakt Berta Jahn-Beer; 94/Res/1938; 107/Res/1938 (darin: 1851/1938 P2); 101/Res/1938; 122/Res/1938; 134/Res/1938; 89/Res/1939.
data.matricula-online.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre Währing, Taufbuch Bd. 24, fol. 73; Ev. Kirche H.B., Pfarre Wien-Innere Stadt (Reformierte Stadtkirche), Trauungsbuch Bd. 6, fol. 109.
anno.onb.ac.at: P.P., Wiener Concertbericht, in: Frauen-Werke. Österreichische Zeitschrift zur Förderung und Vertretung von Frauenbestrebungen, Jg. 2 (1895), H. 4, S. 30; Benjamin Schier, Kleine Theaterplaudereien, in: Wiener Hausfrauen-Zeitung, 24.11.1895, S. 401-402, hier: S. 402; Hygiea. Illustrirte Cur- und Bade-Zeitung, 25.08.1896, S. 11; Österreichische Musik- und Theaterzeitung, 01.02.1897, S. 11; Österreichische Musik- und Theaterzeitung, Heft 13 [in diesen erwähnt als Bertha Jahn]; Neue Freie Presse, 01.05.1904, S. 12 [erwähnt als Berta Jahn].
Erich H. Müller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden 1929, S. 624.
Franz Planer (Hg.), Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte 1929, Wien 1929, S. 282.
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konzerthaus.at: Archivdatenbank.
musikverein.at: Konzertarchiv.
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newspapers.com: The Boston Globe, 09.04.1940, S. 9.
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Mitteilung Longy School of Music Library.
archive.org: N.W., Berta Jahn Beer Joins Staff at Longy Music School, in: Musical Courier, 15.01.1940, S. 27 bzw. Inserat der Longy School of Music, S. 31.
collections.arolsen-archives.org: Sterbeurkunde Gustav Anton Beer.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Berta Jahn-Beer, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/11f4d6f7-5a71-4511-89d6-a98b05a8f25c/)Letzte Änderung: 14.11.2024