Wiethe, Camillo
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PersonengruppeLehrende
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Geburtsdatum1889-05-24
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Sterbedatum1949-07-10
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Beschreibung
Camillo Wiethe
geb. 24.05.1889 in Wien, gest. 10.07.1949 in Wien
Camillo Wiethe wurde am 24. Mai 1889 als Sohn von Elisabeth (geb. Schnitzler) und Dr. med. Theodor Wiethe in Wien geboren. Er besuchte das Schottengymnasium und begann nach Ablegung der Matura ein Medizinstudium an der Universität Wien, das er 1913 abschloss. Bei seinem anschließenden Militärdienst wurde er im Ersten Weltkrieg schwer verwundet. Ab 1918 arbeitete Wiethe zunächst als Hilfsarzt, ab 1927 als Assistenzarzt an der Hals-Nasen- Ohrenklinik Wien und habilitierte sich 1933 für Laryngo-, Rhino- und Otologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Mitte der 1930er-Jahre übernahm Priv.Doz. Dr. med. Camillo Wiethe die Funktion des Vorstands der Hals-, Nasen-, Ohrenabteilung des Spitals der Wiener Kaufmannschaft.
Ab 1933/34 hielt Wiethe einen Kurs für Anatomie und Physiologie des Gesangsapparates an der mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien), der wöchentlich einstündig angeboten wurde. Der nach dem ‚Anschluss‘ eingesetzte kommissarische Leiter der mdw, Alfred Orel, erstellte im Rahmen seiner Reorganisationsmaßnahmen eine „Abbauliste“, auf der Wiethe knapp als „überflüssig“ bezeichnet wird, und kündigte dessen Vertrag. Die jüdische Herkunft seiner Frau – Grund des Verlusts seiner Anstellung am Spital und des Entzugs bzw. der seinerseitigen Zurücklegung der Venia Legendi an der Universität Wien sowie des Rückzugs in seine Privatpraxis – war Orel anscheinend nicht bekannt. Orels Nachfolger als kommissarischer Leiter der mdw, Franz Schütz, schloss mit Wiethe Anfang Oktober 1938 einen unhonorierten Lehrauftrag „wie bisher“ ab, allerdings im Ausmaß von zwei Wochenstunden. Es fällt auf, dass bei der von Wiethe im Zuge seiner Neuanstellung abgegebenen „Anzeige über Verheiratung“ als Vater seiner Frau nicht der in ihrer von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien angelegten Geburtsmatrikel angeführte Adolf Pächter, sondern mit Jean Baptiste Delassis ein Franzose katholischen Glaubens genannt wird.
Ende März 1939 informierte Wiethe den Sekretär der mdw, Hans Waizmann, dass er „aus gesundheitlichen Rücksichten“ beabsichtige, seinen Lehrauftrag zurückzulegen. Er wurde daraufhin mit äußerst freundlichen Worten ersucht zu bleiben und entschied nur wenige Tage später, seine Vorlesungen fortzusetzen. Wie lange er diese noch abgehalten hat, ist nicht bekannt.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur nahm Wiethe seine Lehrtätigkeit an der Universität Wien wieder auf. Das Dekanat der Medizinischen Fakultät verlieh ihm im November 1945 den Titel eines ao. Professors, 1946 erfolgte seine Ernennung zum ao. Professor für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten an der Universität Wien sowie seine Betrauung mit der Leitung der II. Universitätsklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten in Wien. Wiethe war seit 1927 mit Eugenie (geb. Pächter, 1898-1969) verheiratet. Vor der Eheschließung konvertierte sie von der jüdischen zur altkatholischen Religion, nach deren Ritus die Trauung vollzogen wurde. 1931 schloss das Paar in der katholischen Pfarre Votivkirche ein weiteres Mal die Ehe. Die nach Frankreich geflohenen Eltern von Eugenie Wiethe wurden am 2. März 1943 von Drancy in das Konzentrationslager von Auschwitz (Oświęcim, POL) deportiert und haben die Shoah nicht überlebt.
Camillo Wiethe starb am 10. Juli 1949 in Wien. Sechs Jahre danach wurde im 22. Wiener Gemeindebezirk eine Straße nach ihm benannt.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Personalakt Camillo Wiethe; 148/Res/1939.
data.maticula-online.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre Alservorstadt, Taufbuch Bd. 42. fol. 74 (1889) u. Pfarre Votivkirche, Trauungsbuch Bd. 19, fol. 46 (1931).
familysearch.org: Österreich, Niederösterreich, Wien – Matriken der Israelitischen Kultusgemeinde, Trauungsbuch Bd. I (1894-1895), Nr. [vor 610]; Geburtsbuch Bd. U (1898), Nr. 377.
biographien.ac.at: Artikel „Wiethe, Camillo (Kamillo) (1889–1949), Oto-Rhino-Laryngologe“.
gedenkbuch.univie.ac.at: Katharina Kniefacz und Herbert Posch, Artikel „Camillo Wiethe“.
friedhoefewien.at: Verstorbenensuche.
doew.at: Personendatenbank [Adolf und Gabriele Pächter sind dort als Adolf und Gabrielle Pachter verzeichnet].
geschichtewiki.wien.gv.at: Artikel „Wiethestraße“.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Camillo Wiethe, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/2364f4b1-6da6-4461-88e9-30235fa7fc54/)Letzte Änderung: 14.11.2024