Deutscher, Edith
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Biografie
Edith Deutscher
geb. 06.01.1920 in Wien, gest. 28.04.2010 in den USA
Alternative Namen: verh. Edith Kemeny
Deutscher besuchte ein humanistisches Gymnasium und erhielt zusĂ€tzlich Tanz-, Englisch- und Klavierunterricht. 1934/35 schrieb sie sich in der Meisterschule fĂŒr Rhetorik bei Wilhelm Klitsch an der mdw (damals Staatsakademie fĂŒr Musik und darstellende Kunst in Wien) ein. Ab dem darauffolgenden Studienjahr besuchte sie zusĂ€tzlich die Meisterschule fĂŒr Schauspiel bei Klitsch. Infolge des âAnschlussesâ trat Deutscher, deren Vater sich die Zahlung des Schulgeldes nicht mehr leisten konnte, Ende MĂ€rz 1938 aus der Staatsakademie aus. Die fĂŒr das Sommersemester geplanten AbschlĂŒsse ihrer Studien mit DiplomprĂŒfungen waren ihr somit nicht mehr möglich.
Deutschers sĂ€mtliche Versuche, das Land so rasch wie möglich zu verlassen, scheiterten. Es gelang ihr auch nicht, die notwendigen Papiere zu beschaffen, um Ferenc Kemeny (1910-1972), den sie bei Urlauben in Ungarn kennengelernt hatte, in Wien zu heiraten und damit die ungarische StaatsbĂŒrgerschaft zu erhalten. Das Paar schaffte es, illegal ĂŒber die Grenze nach Ungarn (Tata) zu fliehen, wo die beiden die Ehe schlossen. Mit der ungarischen StaatsbĂŒrgerschaft kehrte sie 1939 noch einmal kurz nach Wien zurĂŒck, um ihre Familie zu treffen.
Ihr Vater, der im Ersten Weltkrieg gedient hatte und fĂŒr seinen Einsatz ausgezeichnet worden war, meinte, wegen seiner Verdienste vor der nationalsozialistischen Verfolgung geschĂŒtzt zu sein, und wollte das Land zunĂ€chst nicht verlassen. Ihre Mutter â in den USA geboren, als ihre Eltern eine Zeit lang dort lebten â konnte sich im April 1939 in den Vereinigten Staaten in Sicherheit bringen. Nach einem gescheiterten Versuch nach Ungarn zu gelangen, schaffte es Kemenys Bruder, 1939 in die Tschechoslowakei und mit der Hilfe seiner Mutter von dort im Februar 1940 ĂŒber Italien (Triest) in die USA zu kommen. Kemenys Vater wurde am 20. Mai 1942 nach Maly Trostinec (Maly Traszjanez, BLR) deportiert und ermordet, ihre GroĂmutter mĂŒtterlicherseits starb im Lager Theresienstadt (TerezĂn, CZE).
Als in Ungarn die Restriktionen gegen die jĂŒdische Bevölkerung zunahmen, wurde das Ehepaar Kemeny in das Ghetto von KomĂĄrom deportiert. Mitte Juni 1944 kam Edith Kemeny von dort in das Konzentrationslager Auschwitz (OĆwiÄcim, POL), nach etwa vier Wochen wurde sie in das KZ PĆaszĂłw (POL) ĂŒberstellt. Als sich die russische Armee nĂ€herte, wurde sie in das KZ Auschwitz rĂŒckĂŒberfĂŒhrt und im November 1944 in ein AuĂenlager des KZ GroĂ-Rosen nach Guben (DEU) gebracht, wo sie Zwangsarbeit in einer Fabrik leisten musste. In einem mehrwöchigen FuĂmarsch gelangte sie schlieĂlich in das KZ Bergen-Belsen (DEU), wo sie â bereits völlig entkrĂ€ftet und schwer erkrankt â Mitte April 1945 die Befreiung erlebte. Erst Mitte Oktober war sie gesundheitlich in der Lage, nach Ungarn zurĂŒckzukehren. Hier traf sie wieder mit ihrem Ehemann zusammen, der im November 1944 in das KZ Buchenwald (DEU) deportiert worden war und in Theresienstadt das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft erlebt hatte. Nahezu seine ganze Familie wurde Opfer der Shoah.
Aufgrund der politischen Entwicklung in Ungarn versuchten die Kemenys, die 1947 Eltern eines Sohnes geworden waren, das Land zu verlassen. Nach gescheiterten BemĂŒhungen um eine Ausreisebewilligung unternahmen sie Anfang der 1950er-Jahre einen Fluchtversuch ĂŒber die Grenze nach Ăsterreich, wurden jedoch festgenommen und zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. 1953 gelang ihnen schlieĂlich auf legalem Wege die Emigration nach Israel. Das Ehepaar schaffte es jedoch nicht, dort FuĂ zu fassen, und ging schlieĂlich in die USA. Hier traf es am 16. Mai 1955 in New York (NY) ein und lieĂ sich zunĂ€chst in Trenton (NJ) nieder, spĂ€ter lebte das Ehepaar im US-Bundesstaat Pennsylvania.
Edith Kemeny (geb. Deutscher) starb am 28. April 2010 in den USA.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Matrikelblatt Edith Deutscher; 1605/1938 Sch3; 20/1965; 2843/1978.
collections.ushmm.org: Oral History Interview with Edith Kemeny (29.09.1986).
collections.arolsen-archives.org: Inhaftierungsdokumente Buchenwald.
ancestry.com: New York, U.S., Arriving Passenger and Crew Lists; New York, U.S., Naturalization Records; Florida, U.S., Naturalization Records; U.S., Public Records Index; U.S., Social Security Death Index.
tributes.com: Obituary Edith Kemeny.
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Edith Deutscher, in: Gedenkbuch fĂŒr die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw â UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/2b56acae-16e7-4dee-99c1-df2d28bf4b0d/)
Letzte Ănderung: 14.11.2024