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Schiffmann, Edgar


  • Personengruppe
    Lehrende
  • Geburtsdatum
    1895-01-31
  • Sterbedatum
    1968-03-31
  • Beschreibung

    Edgar Schiffmann

    geb. 31.01.1895 in Wien, gest. 31.03.1968 in New York, NY (USA)
    Alternative Namen: Edgar Wilhelm Alexander Schiffmann, auch Schiffman

    Edgar Wilhelm Schiffmann wurde am 31. Mai 1895 als Sohn von Amalia Anna (geb. Fränkel) und Dr. Emil Schiffmann in Wien geboren. 1901 trat seine Mutter gemeinsam mit ihm und seinem Bruder Walter aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus, alle drei wurden im Jänner des darauffolgenden Jahres katholisch getauft. Bei dieser Gelegenheit erhielt er den dritten Vornamen Alexander. Schiffmann erhielt privat Klavierunterricht bei Josef Hofmann und trat bereits 1907, im Alter von zwölf Jahren, öffentlich als Pianist in Erscheinung.

    Von 1910/11 bis 1912/13 studierte er Klavier bei Paul de Conne an der mdw (damals k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien) und legte 1913 die Reifeprüfung mit vorzüglichem Erfolg ab. Danach setzte er, auch noch in den ersten Jahren des Ersten Weltkriegs, seine künstlerische Karriere fort. Im Oktober 1917 wurde Schiffmann an der Isonzofront schwer verwundet.
    1920/21 und 1921/22 studierte er ein weiteres Mal an der mdw, an der er die Kapellmeisterschule bei Ferdinand Löwe und als Hospitant die Kompositionsklasse von Franz Schmidt besuchte. 1922 schloss er die Kapellmeisterschule mit Ablegung der Reifeprüfung mit vorzüglichem Erfolg ab.

    In seiner pianistischen Karriere trat Schiffmann als Solist ebenso wie als Kammermusiker und Klavierbegleiter in Erscheinung. Besonders zu erwähnen sind seine langjährigen gemeinsamen Auftritte mit Franz Schmidt auf zwei Klavieren. Nachdem er kurz als Korrepetitor an der Wiener Volksoper tätig war, wurde er 1923 als Kapellmeister an das Stadttheater in Troppau engagiert, an dem er bis 1925 blieb. Nach seiner Rückkehr nach Wien arbeitete er als Kapellmeister an der Volksoper und dem Carl-Theater. Im Mai 1925 heiratete er Julia (auch: Jula) Heckel (geb. 1907), ein Jahr darauf kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Im September 1926 begann Schiffmann seine Unterrichtstätigkeit als Lehrer für Klavier an der mdw (damals Akademie für Musik und darstellende Kunst), im darauffolgenden Jahr wurde ihm der Professortitel verliehen. Noch Ende Februar 1938 wurde ihm seitens der Akademieleitung attestiert, er sei „ein tüchtiger, überaus strebsamer und pflichteifriger Lehrer, der anerkennenswerte Unterrichtserfolge nachzuweisen hat“.

    Unmittelbar nach dem ‚Anschluss‘ wurde Schiffmann vom neu eingesetzten kommissarischen Leiter Alfred Orel beurlaubt und – wie sich dieser ausdrückte – „ersucht“, ein Urlaubsansuchen zu stellen. Die von Schiffmann in seinem Schreiben vom 28. März 1938 gewählte Formulierung „In Befolgung der mir erteilten Weisung“ gibt wohl eher die Vorgangsweise Orels wieder. In der Hoffnung, den Verlust seiner Stelle abwenden zu können, führte Schiffmann in dem Brief auch an, dass seine Frau „rein arischer und sudetendeutscher Abstammung“ sei und verwies auf seine Teilnahme an Feldzügen im Ersten Weltkrieg, die dabei erlittene schwere Verwundung und die erhaltenen militärischen Auszeichnungen. Ende Mai 1938 wurde sein Vertrag mit Ende August 1938 gekündigt, seine Klasse von Bruno Seidlhofer übernommen.

    Im November 1938 wurde Schiffmann verhaftet und im Konzentrationslager Dachau (DEU) interniert. In der Zeit seiner Inhaftierung wurden seiner Ehefrau unter Druck und der Vorspiegelung, Schiffmanns Entlassung erwirken zu können, vier wertvolle Bilder weit unter ihrem tatsächlichen Wert abgepresst. Ein in Schiffmanns Besitz befindliches Landgut in der Nähe von Böheimkirchen wurde arisiert.

    Nachdem er Ende Dezember 1938 aus dem Konzentrationslager entlassen worden war, gelang es Schiffmann, 1939 nach Großbritannien zu flüchten. Seine Tochter konnte ebenfalls im Vereinigten Königreich in Sicherheit gebracht werden, seine nicht von der nationalsozialistischen Verfolgung bedrohte Ehefrau blieb in Wien. Schiffmanns Mutter wurde im Juni 1942 nach Theresienstadt (Terezín, CZE) deportiert, im September 1942 nach Treblinka (POL) überführt und überlebte die Shoah nicht. Sein Bruder Walther (geb. 1896) wurde im August 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 11. November ermordet. Schiffmann ging Anfang 1940 ins US-amerikanische Exil, wo er am 11. Februar mit der M. V. Georgic in New York (NY) ankam, im September folgte ihm seine Tochter nach. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Klavierpädagoge, etwa ab Mitte der 1950er-Jahre unterrichtete er auch am Elmwood Conservatory of Music in Passaic (NJ). Eine Fortsetzung seiner Karriere als Konzertpianist und Dirigent scheint ihm nicht gelungen zu sein. 1945 erhielt Schiffmann die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, 1949 heiratete er Sonja Weissbrod (vmtl. geb. Eger, 1916-1976).

    Im August 1945 forderte das Staatsamt für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten die mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien) auf, über Aufenthaltsort und berufliche Stellung „von unter dem n.s. Regime aus rassischen oder politischen Gründen“ entfernten Lehrenden Auskunft zu geben und, wenn „an deren Wiedergewinnung besonderes Interesse besteht, […] dies ausdrücklich zu vermerken“. In dem Antwortschreiben führte Akademiepräsident Karl Kobald die Professoren Schiffmann, Friedrich Buxbaum und Richard Stöhr an und fügte ergänzend hinzu: „Ich lege auf die Rückberufung der obgenannten ehemaligen Lehrkräfte keinen besonderen Wert.

    Schiffmann wandte sich 1955 um die Gewährung eines außerordentlichen Ruhegenusses an die Akademie. In der Weiterleitung seines Ansuchens an das Bundesministerium für Unterricht wurde die Dauer seiner Anstellung übermittelt und festgestellt, er sei „ein bekannter Pianist und ein guter Lehrer“ gewesen. Mit der im Dezember 1956 erfolgten Entschließung des Bundespräsidenten wurde ihm ab Jänner 1957 der beantragte Ruhegenuss zuerkannt.

    Edgar Schiffmann starb am 31. März 1968 in New York (New York), USA.

    Quellen / Literatur:
    mdw-Archiv: Matrikelblatt 479/1/1911; Personalakt Edgar Schiffmann; 706/1927 P2; 1904/1938 P2; 866/1938 PU; 227/Res/1945.
    genteam.at: Index der Jüdischen Matriken Wien und Niederösterreich.
    familysearch.org: Österreich, Niederösterreich, Wien – Matriken der Israelitischen Kultusgemeinde, Geburtsbuch Bd. R, Nr. 315.
    data.matricula-online.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre St. Florian (Matzleinsdorf), Taufbuch Bd. 64a, fol. 10.
    anno.onb.ac.at: Neues Wiener Tagblatt, 07.04.1907, S. 43; Sport und Salon, 09.05.1908, S. 12; Fremden-Blatt, 11.01.1918, S. 6; Wiener Salonblatt, 29.09.1923, S. 4; Die Bühne, Jg. 2 (1925), H. 31, S. 34; Der Tag, 02.09.1925, S. 8; Die Stunde, 26.05.1925, S. 6; Neues Wiener Tagblatt, 16.09.1925, S. 9.
    Nadine Bauer, Kunstlieferantin des „Dritten Reichs“. Umkreis und Wirkungsradius von Maria Dietrich, Dissertation Technische Universität Berlin 2020, S. 179-181.
    collections.ushmm.org: Wiener Prozesse wegen NS-Verbrechen: Viennese post-war trials of Nazi war crimes. Inventory, Part 3, S. 384.
    collections.arolsen-archives.org: Schreibstubenkarten Dachau.
    doew.at: Personendatenbank.
    ancestry.com: New York, U.S., Arriving Passenger and Crew Lists; New York, New York., U.S., Marriage License Indexes; 1950 United States Federal Census.
    findagrave.com: Memorial ID 178514946.
    newspapers.com: Abfragen „Edgar Schiffmann“ und „Edgar Schiffman“; The Herald-News, 02.04.1968, S. 40.

    Empfohlene Zitierweise:
    Erwin Strouhal: Edgar Schiffmann, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/2ea1797a-9c4c-4b19-b275-e4e6aed0caa7/)

    Letzte Änderung: 14.11.2024