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Grünschlag, Antonie


  • Externe Identifikatoren
  • Personengruppe
    Studierende
  • Geburtsdatum
    1916-08-25
  • Sterbedatum
    2007-01-12
  • Beschreibung

    Antonie Grünschlag

    geb. 25.08.1916 in Wien, gest. 12.01.2007 in New York, NY (USA)
    Alternative Namen: Toni Grunschlag

    Antonie „Toni“ Grünschlag kam am 25. August 1916 als zweites Kind von Cirl (auch: Cilli bzw. Cecilia, geb. Reinharz) und Moses (auch: Moritz bzw. Morris) Grünschlag in Wien zur Welt. Ihr älterer Bruder David (geb. 1914) und ihre jüngere Schwester Rosa "Rosi" (geb. 1922) erhielten ebenso wie sie selbst Violinunterricht durch ihren Vater, der neben seiner Arbeit als Kaufmann auch als Musiklehrer tätig war. 1922 begann sie Klavier zu lernen und wurde Schülerin Hilda Stern-Pollaks. Seit Februar 1931, als sie bei zwei Konzerten im Wiener Konzerthaus mitwirkte, sind öffentliche Auftritte belegbar, unter anderem gab sie 1933 ein gemeinsames Konzert mit ihrem Bruder, der als Geiger ebenso als Wunderkind galt wie sie am Klavier. 1935 legte sie die Staatsprüfung für Klavier ab, die zur Erteilung von Instrumentalunterricht berechtigte.

    Im Sommersemester 1936 begann Grünschlag ihr Studium in Emil Sauers Meisterschule für Klavier an der mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien). Nach dem ‚Anschluss‘ besuchten sie und ihre Schwester, die Klavier an der mdw bei Walter Kerschbaumer studierte, den Unterricht vorerst nicht mehr, da sie meinten, als Jüdinnen am Unterricht nicht mehr teilnehmen zu dürfen. Ihre beiden Lehrer ließen jedoch nach ihnen schicken, damit sie ihre Studien fortsetzen. Am 13. Juni 1938 schloss Toni Grünschlag ihre Ausbildung mit der Ablegung der Diplomprüfung für Klavier mit Auszeichnung ab.

    Die Schwestern Grünschlag und ihre Mutter (Bruder David befand sich seit 1936 in Israel, seit 1937 auch der Vater) wurden bald danach aus der Wohnung in der Reichsbrückenstraße (heute: Lasallestraße) vertrieben und bezogen ein Zimmer in der ebenfalls im Zweiten Bezirk gelegenen Wolfgang-Schmälzl-Gasse. Vater und Bruder unterstützten die in Wien gebliebenen Familienmitglieder bei ihren Bestrebungen, das Land zu verlassen. Im Jänner 1939 konnte die Mutter über Italien (Triest) nach Palästina fliehen, Toni und Rosi Grünschlag mussten noch in Wien ausharren. Durch den ehemaligen Lehrer ihres Bruders an der mdw, Bronisłav Huberman, der ihnen zu Studierendenvisa verhalf, wurde Ende April 1939 ihre Flucht nach Großbritannien möglich. Hier hielten sich die Schwestern kurz in London auf, anschließend lebten sie für mehrere Monate bei einer Gastfamilie in Hartingfordbury (Hartfordshire). Nachdem ihr Vater seine bei einer um die Jahrhundertwende unternommenen Auswanderung verliehene US-Staatsbürgerschaft zurückerhalten hatte, konnten die beiden als „United States Citizens“ mit der S. S. Washington nach New York (NY) aufbrechen, wo sie am 1. November 1939 eintrafen; ihre Eltern kamen dort am Ende des Monats an, Bruder David blieb in Palästina.

    In den ersten Jahren konnten sie und ihre Schwester in einer Synagoge und einer Kirche Klavier üben und mit der musikalischen Begleitung von Gottesdiensten Geld verdienen. Toni Grunschlag (der Umlaut wurde im Exil aus dem Namen gestrichen) erteilte zusätzlich Klavierunterricht. Gemeinsam mit Rosi Grunschlag studierte sie ab Anfang der 1940er-Jahre bei Robert Casadesus. Den Geschwistern gelang es, eine sich über sechs Jahrzehnte erstreckende Karriere als Klavierduo Toni und Rosi Grunschlag aufzubauen: Ihr New Yorker Debut gaben sie im März 1945 in der Town Hall, ihr letztes Konzert im Mai 2006 in der Steinway Hall. In der langen Zeit ihres künstlerischen Schaffens unternahmen sie Tourneen in den USA und Europa, nahmen Platten bzw. CDs auf, gaben Meisterkurse und unterrichteten ab Anfang der 1950er-Jahre an der Ethel Walker School, einer College-Vorbereitungsschule in Connecticut.

    Schallplattenaufnahmen führten Toni und Rosi Grunschlag 1968 nach Wien, wobei die erste Rückkehr in ihre frühere Heimatstadt bei ihnen noch sehr gemischte Gefühle hervorrief. Zwei weitere Male, 1995 und 2006, sollten sie noch nach Wien kommen, bei ihrem letzten Besuch traten sie mehrmals auf, so auch im Wiener Konzerthaus bei dem Eröffnungskonzert der Konferenz „Face the Music. Musik. Verfolgung. Freiheit. Verfolgte Musikschaffende – verdrängte Musik in den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts“.

    Etwa ein halbes Jahr danach starb Toni Grunschlag am 12. Jänner 2007 in New York (New York), USA.

    2012 wurde an der Ethel Walker School, an der sie mehr als 20 Jahre lang unterrichtete, der „Rosi & Toni Grunschlag Scholarship Fund“ für Klavierschülerinnen eingerichtet, an der Schule ist auch ein Klavier-Übungszimmer nach ihr benannt. 2015 wurde der Nachlass von Toni Grunschlag und ihren Geschwistern der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus übergeben. Aus diesem Anlass war in der Musiksammlung der Wienbibliothek von Dezember 2015 bis April 2016 die Ausstellung „‚Immer ready sein zu gehen‘. Der Exil-Nachlass der Musiker-Geschwister Grünschlag“ zu sehen.

    Quellen / Literatur:
    mdw-Archiv: Matrikelblatt Antonie Grünschlag; 980/1935 MP St.
    Regina Thumser, Vertriebene Musiker: Schicksale und Netzwerke im Exil 1933-1945, Dissertation Universität Salzburg 1998, S. 201-221.
    lexm.uni-hamburg.de: Katharina Hohnsbehn, Artikel „Toni Grunschlag“.
    lbi.org: Bernhard Gal, Interview mit Rosi Gruenschlag [sic] (AHC 82) vom 07.11.1997, Transkript.
    Todd Murray und William Wyatt (Regie), Toni and Rosi, Dokumentarfilm 2012.
    konzerthaus.at: Archivdatenbank.
    ancestry.com: UK and Ireland, Outward Passenger Lists; New York, U.S. Arriving Passenger and Crew Lists.
    archive.org: P., Toni and Rosi Grunschlag, Duo-pianists (Debut), in: Musical America, 10.04.1945, S. 22.
    holocaustmusic.ort.org: Abaigh McKee, Artikel „The Grunschlag Family – David, Toni and Rosi“; Dorit Straus (Regie), It Runs in the Family. Our Musical History, 2013.
    orpheustrust.at: Veranstaltungen 2006.
    Mitteilung Archiv Ethel Walker School.
    wienbibliothek.at: Veranstaltungen und Ausstellungen.

    Empfohlene Zitierweise:
    Erwin Strouhal: Antonie Grünschlag, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/4bc87346-0834-4357-b888-fa080e64f4e5/)

    Letzte Änderung: 14.11.2024