Kobald, Karl
-
PersonengruppeVerwaltung
-
Geburtsdatum1876-08-28
-
Sterbedatum1957-10-12
-
Beschreibung
Karl Kobald
geb. 28.08.1876 in Brünn, Mähren (Brno, CZE), gest. 12.10.1957 in Wien
Karl Kobald wurde am 28. August 1876 als Sohn von Ernestine (geb. Brezowsky) und Alois Kobald, einem Inspektor der k. k. Staatsbahnen, in Brünn (Brno, CZE) geboren.
Kobald erhielt in den 1880er-Jahren als Sängerknabe der Hofburgkapelle seine musikalische Ausbildung u.a. bei Anton Bruckner und Rudolf Bibl. Anschließend nahm er privat Violinunterricht bei Josef Maxincsak und Josef Hellmesberger jun. und besuchte Vorlesungen Bruckners sowohl an dem von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien geführten Conservatorium für Musik und darstellende Kunst als auch an der Universität Wien. Nach Ablegung der Matura studierte Kobald Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Rechtswissenschaften an der Universität Wien und schlug, 1899 zum Dr. iur. promoviert, eine Beamtenlaufbahn „zuerst in richterlichen Diensten“ und bei der Niederösterreichischen Finanz-Landesdirektion ein. 1903 wechselte er in die „k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale“ und kam 1906 als Kunst- und Musikreferent in das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht. In dieser Funktion war er u.a. an der Verstaatlichung des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde zur k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien (der heutigen mdw) beteiligt, ebenso wirkte er organisatorisch am Aufbau des „Institutes für das Volkslied in Österreich“, der Gründung der Salzburger Festspiele sowie den Zentenarfeiern für Haydn, Bruckner, Beethoven und Schubert mit. 1919, in einer Phase der Neuorganisation der mdw, stellte das Staatssekretariat für Unterricht Kobald den vier vom Lehrkörper gewählten „Vertrauensmännern“ zur Seite und betraute ihn für einige Wochen „mit der provisorischen Fortführung der interimistischen Geschäftsleitung der Akademie“.
1932 erfolgte seine Ernennung zum Präsidenten der mdw (damals Akademie bzw. ab 1933 Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien). Eine Zeitung kommentierte diese Personalentscheidung mit: „Endlich einmal der Fall, daß der richtige Mann auf den richtigen Platz gestellt wird. Trotz seiner Befähigung.“ Die Institution hatte unruhige Zeiten hinter sich und Kobald gelang es, das Haus in den folgenden Jahren wieder zu stabilisieren. Um dessen internationale Reputation bemüht, initiierte er die Abhaltung internationaler Wettbewerbe und intensivierte Kontakte zu in- und ausländischen Schwestern- bzw. Kulturinstitutionen. Unter seine Ägide fällt auch die – ganz den ideologischen Vorstellungen der Zeit entsprechende – Zusammenlegung der pädagogischen und kirchenmusikalischen Ausbildung in der Abteilung für Kirchen- und Schulmusik. Während der Zeit seiner Präsidentschaft ist die vermehrte politische Einflussnahme auf die Besetzung von Stellen aktenkundig, der sich Kobald im Sinne der Erhaltung des Ausbildungsniveaus durchaus zu widersetzen versuchte.
Nach dem ‚Anschluss‘ übernahm am 15. März 1938 Alfred Orel die Leitung der mdw. Kobald wurde „zunächst durch eine Parteidienststelle“ von seinem Posten enthoben und in der Folge „aufgefordert“, um seine Versetzung in den Ruhestand anzusuchen. Das in amikalem Ton verfasste Verabschiedungsschreiben des Unterrichtsministers Oswald Menghin, in dem dieser seiner „mit wärmster Anerkennung der grossen Verdienste“ gedenkt und hervorhebt, Kobald hätte, „geleitet von hohem Pflichtbewusstsein […] unter schwierigsten Verhältnissen die […] sich ergebenden Aufgaben stets in ausgezeichneter Weise zu lösen verstanden“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kobald zwangspensioniert wurde bzw. das Ansuchen um die Ruhestandsversetzung gestellt hatte, „um schärfere Maßnahmen gegen ihn hintanzuhalten. “
Kobald zog sich 1940 in das Haus seiner Familie in Rodaun zurück, in dem seine Schwester lebte. In der dortigen Pfarre heiratete 1943 seine Tochter Maria Theresia (auch: Maria Therese, verh. Springer, 1916-2007). Diese stammte aus seiner 1911 mit Anna Schneeberger (geb. 1891, verh./gesch. Kobald, verh. Goldschmidt) geschlossenen Ehe, die spätestens 1921 geschieden worden war. Aufgrund der jüdischen Herkunft Schneebergers – sie war vor der Heirat mit Kobald aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten und hatte sich katholisch taufen lassen – galt die gemeinsame Tochter den nationalsozialistischen Rassengesetzen entsprechend als ‚Mischling‘. Dass ihre Trauung 1943 nur kirchlich vorgenommen wurde und die standesamtliche Eheschließung erst im Oktober 1945 erfolgte, könnte ein Hinweis darauf sein, dass die erforderliche Bewilligung für das Eingehen einer Zivilehe nicht erteilt wurde.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Diktatur erfolgte Anfang Juni 1945 die Wiedereinsetzung Kobalds als Präsident der mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien). Bei der Entnazifizierung des Hauses vertrat er die Meinung, man dürfe dabei „ohne die Schule nicht schwer zu schädigen, einen so strengen Maßstab nicht anwenden“. Es sei zwar „nur zu leicht verständlich, daß man Nationalsozialisten aus dem Unterrichtsfach entfernt, wo sie sicherlich nach wie vor großen Schaden anrichten können“, ihm sei jedoch „niemals zu Ohren gekommen“, dass „von Seiten eines Lehrers Propaganda im Sinne der Nazi betrieben wurde. Die Unterrichtszeit ist kurz bemessen und wo die Kunst spricht, schweigt alles andere. “
Dieser abschließenden Feststellung gleichsam als Prämisse folgend, stellte er beim Wiederaufbau die Kunst bzw. die Sicherung der Qualität der künstlerischen Ausbildung in das Zentrum seines Handelns. Nur Lehrende, die auch eine „Acquisation“ wären, also seiner Meinung nach das Haus bereichern würden, waren willkommen. Auf eine Rückberufung von Lehrenden, die ihm nicht geeignet erschienen, legte er „keinen besonderen Wert“.
Kobald behielt die Leitung der Akademie bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit 30. September 1946.Neben seiner Tätigkeit im Staatsdienst trat Kobald als Schriftsteller hervor, der zahlreiche musik- und kulturhistorische Werke, Romane, Essays ebenso wie Lyrik verfasste. Sein organisatorisches und literarisches Schaffen wurde u.a. durch die Verleihung des Professortitels, des Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich und der Großen Ehrenmedaille der Stadt Wien gewürdigt.
Karl Kobald starb am 12. Oktober 1957 in Wien.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Personalakt Karl Kobald; 232/Pr/1919; 206/1945 A; 227/Res/1945; 378/Res/1945.
data.matricula-online.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre Unsere Liebe Frau zu den Schotten, Taufbuch Bd. 61, fol. 141; Pfarre Votivkirche, Trauungsbuch Bd. 12, fol. 50; Pfarre Alservorstadt, Taufbuch Bd. 52, fol. 48 [1916].
genteam.at: Index der jüdischen Matriken Wien und Niederösterreich; Ziviltrauungen in Wien.
wien.gv.at: WAIS – Wiener Archivinformationssystem, Meldezettel Karl Kobald.
Karl Kobald, Erinnerungen an Anton Bruckner, in: Österreichische Musikzeitschrift, Jg. 1, H. 9, S. 309-311.
anno.onb.ac.at: Die Zeit (Abendblatt) 27.01.1903, S. 2; Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, Bd. 1, Nr. 11 (November 1902), Personalstand Sp. V; Neues Wiener Tagblatt, 27.11.1932, S. 16.
Lynne Heller, Zwischen Autonomie und Fremdbestimmtheit. Eine politische Geschichte der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien 1918–1938, in: Lynne Heller, Severin Matiasovits, Erwin Strouhal, Zwischen den Brüchen. Die mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien in der Zwischenkriegszeit (Studien zur Geschichte der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien 1, Wien 2018), S. 47-48.
Kunstnachrichten. Information des Arts. Organ für Musik, Theater, Literatur, Kunst und Wissen. Sonder-Nummer: Festausgabe der Staatsakademie für Musik u. darstellende Kunst, Internationaler Musikwettbewerb 1937, S. 4.
Österreich-Institut (Hg.), Österreicher der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen, Wien 1951, S. 151.
Karl Wisoko-Meytsky, Karl Kobald – 70 Jahre!, in: Österreichische Musikzeitschrift, Jg. 1, H. 8, S. 280.
Karl Studer, In memoriam Karl Kobald, in: Österreichische Musikzeitschrift Jg. 12, H. 11, S. 452.
musiklexikon.ac.at: Annemarie Kofler, Artikel „Kobald, Karl“.
geschichtewiki.wien.gv.at: Artikel „Karl Kobald“.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Karl Kobald, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons//7338ecd1-4c39-49e2-b387-59b231d895b6/)Letzte Änderung: 14.11.2024