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Grünschlag, Rosa


  • Externe Identifikatoren
  • Personengruppe
    Studierende
  • Geburtsdatum
    1922-05-16
  • Sterbedatum
    2012-01-15
  • Beschreibung

    Rosa Grünschlag

    geb. 16.05.1922 in Wien, gest. 15.01.2012 in New York, NY (USA)
    Alternative Namen: Rosi Grunschlag

    Rosa „Rosi“ Grünschlag wurde am 16. Mai 1922 in Wien als jüngstes Kind von Cirl (auch: Cilli bzw. Cecilia, geb. Reinharz) und Moses (auch: Moritz bzw. Morris) Grünschlag geboren. Ebenso wie ihre älteren Geschwister David (geb. 1914) und Antonie "Toni" (geb. 1916) erhielt sie ersten Musikunterricht durch ihren als Kaufmann und Musiklehrer tätigen Vater. Bereits als Kleinkind begann sie mit dem Klavierspiel, ab dem Alter von fünf Jahren lernte sie auch Violine. Seit sie sechs Jahre alt war, wurde sie von Hilda Stern-Pollak pianistisch ausgebildet und trat als Schülerin ab 1930 mit deren Kinderklasse am Neuen Wiener Konservatorium öffentlich auf. Hervorzuheben sind ihre Teilnahme an einem Konzert des Konservatoriums im Rahmen des Österreichischen Tages der Musikpflege im April 1935 im Großen Saal des Wiener Musikvereins und ein Auftritt im November desselben Jahres in der Rundfunksendung „Kinderstunde“.

    Im Sommersemester 1936 begann Grünschlag ihr Klavierstudium bei Walter Kerschbaumer an der mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien). Nach dem ‚Anschluss‘ blieben sie und ihre Schwester, die an der mdw Klavier bei Emil Sauer studierte, dem Unterricht zunächst fern, da sie glaubten, als Jüdinnen nicht mehr studieren zu dürfen. Ihre Lehrer ließen sie jedoch benachrichtigen, dass sie ihre Ausbildung wiederaufnehmen sollten. Mit dem Ende des Sommersemester 1938 brach Rosi Grünschlag ihr Studium ab.

    Zu dieser Zeit lebten die Schwestern Grünschlag mit ihrer Mutter – ihr Bruder David war 1936 nach Palästina ausgewandert, wo sich seit 1937 auch der Vater aufhielt – noch in der Reichsbrückenstraße (heute: Lasallestraße). Sie wurden jedoch bald danach aus ihrer Wohnung vertrieben und übersiedelten in ein Zimmer in der ebenfalls im Zweiten Wiener Gemeindebezirk gelegenen Wolfgang-Schmälzl-Gasse. Im Jänner 1939 konnte ihre Mutter über Italien (Triest) nach Palästina fliehen, wo sich Bruder und Vater auch darum bemühten, den Schwestern zu einer Ausreisemöglichkeit zu verhelfen. Mit der Unterstützung Bronislav Hubermans, des ehemaligen Lehrers ihres Bruders an der mdw, erhielten die Schwestern Studierendenvisa und konnten Ende April 1939 nach Großbritannien fliehen. Nach kurzem Aufenthalt in London fanden sie Aufnahme bei einer Gastfamilie in Hartingfordbury (Hartfordshire).

    Nachdem ihr Vater seine frühere US-amerikanische Staatsbürgerschaft (er hatte um die Jahrhundertwende einige Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt) wieder erhalten hatte, konnten die Geschwister als Staatsbürgerinnen der USA nach New York (NY) reisen, wo sie am 1. November 1939 mit der S. S. Washington eintrafen. Am Ende des Monats kamen dort auch ihre Eltern an, ihr Bruder David blieb in Palästina. Zunächst konnten Rosi Grunschlag (der Umlaut wurde im Exil aus dem Namen gestrichen) und ihre Schwester in einer Synagoge, später auch in einer Kirche Klavier üben und verdienten ihr Geld mit der musikalischen Gestaltung von Gottesdiensten. Ab Anfang der 1940er-Jahre erhielten sie gemeinsam Unterricht bei Robert Casadesus. Im März 1945 debütierten sie als Klavierduo in der New Yorker Town Hall, womit ihre lange gemeinsame Karriere begann: Ihr letztes Konzert gaben sie im Mai 2006 in New York. In den dazwischenliegenden über sechs Jahrzehnten absolvierten sie zahlreiche Tourneen in den USA und Europa, machten Platten- bzw. CD-Aufnahmen und waren pädagogisch bei Meisterkursen und ab Anfang der 1950er-Jahre an der Ethel Walker School, einer College-Vorbereitungsschule in Connecticut, tätig.

    Die erste Rückkehr in ihre ehemalige Heimatstadt Wien für Plattenaufnahmen 1968 rief bei den Schwestern noch „very mixed feelings“ hervor, wie es Rosi Grunschlag beschrieb und ergänzend erläuterte: „You know, I looked at everybody‘s face in the streetcar and I wondered […] what were you doing at that time.
    Zweimal kehrten Rosi und Toni Grunschlag noch nach Wien zurück, 1995 und 2006, wobei sie bei ihrem letzten Besuch mehrfach auftraten, unter anderem im Wiener Konzerthaus bei dem Eröffnungskonzert der Konferenz „Face the Music. Musik. Verfolgung. Freiheit. Verfolgte Musikschaffende – verdrängte Musik in den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts“.

    Mit dem Tod von Toni Grünschlag im Jänner 2007 endete das von den Schwestern bis dahin in enger Verbundenheit geführte, gemeinsame Leben. Rosi Grünschlag eignete sich ein neues Repertoire an und trat – nunmehr als Solistin – noch bis 2010 öffentlich auf.

    Am 15. Jänner 2012 starb Rosi Grunschlag in New York (New York), USA.

    An der Ethel Walker School, an der sie mehr als 20 Jahre lang unterrichtete, ist ein Klavier-Übungszimmer nach Rosi Grunschlag benannt, 2012 wurde der „Rosi & Toni Grunschlag Scholarship Fund“ für Klavierschülerinnen eingerichtet. In der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus befindet sich seit 2015 der Nachlass der Geschwister Grunschlag. Anlässlich dessen Übernahme war von Dezember 2015 bis April 2016 in der Musiksammlung der Wienbibliothek die Ausstellung „‚Immer ready sein zu gehen.‘ Der Exil-Nachlass der Musiker-Geschwister Grünschlag“ zu sehen.

    Quellen / Literatur:
    mdw-Archiv: Matrikelblatt Rosa Grünschlag.
    Regina Thumser, Vertriebene Musiker: Schicksale und Netzwerke im Exil 1933-1945, Dissertation Universität Salzburg 1998, S. 201-221.
    lexm.uni-hamburg.de: Katharina Hohnsbehn, Artikel „Rosi Grunschlag“.
    lbi.org: Bernhard Gal, Interview mit Rosi Gruenschlag [sic] (AHC 82) vom 07.11.1997, Transkript.
    Todd Murray und William Wyatt (Regie), Toni and Rosi, Dokumentarfilm 2012.
    musikverein.at: Konzertarchiv-Datenbank.
    konzerthaus.at: Archivdatenbank.
    ancestry.com: UK and Ireland, Outward Passenger Lists; New York, U.S. Arriving Passenger and Crew Lists.
    archive.org: P., Toni and Rosi Grunschlag, Duo-pianists (Debut), in: Musical America, 10.04.1945, S. 22.
    holocaustmusic.ort.org: Abaigh McKee, Artikel „The Grunschlag Family – David, Toni and Rosi“; Dorit Straus (Regie), It Runs in the Family. Our Musical History, 2013.
    orpheustrust.at: Veranstaltungen 2006.
    Mitteilung Archiv Ethel Walker School.
    wienbibliothek.at: Veranstaltungen und Ausstellungen.

    Empfohlene Zitierweise:
    Erwin Strouhal: Rosa Grünschlag, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/7e268059-6812-4c58-b80e-15a3c6063c06/)

    Letzte Änderung: 14.11.2024