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Nüchtern, Hans


  • Personengruppe
    Lehrende
  • Geburtsdatum
    1896-12-25
  • Sterbedatum
    1862-01-09
  • Beschreibung

    Hans Nüchtern

    geb. 25.12.1896 in Wien, gest. 09.01.1962 in Wien
    Alternative Namen: geb. Johann Baptist Emanuel Maria Nüchtern, Pseudonyme Hans Bichler bzw. Hans Lund

    Johann Baptist Emanuel Maria „Hans“ Nüchtern kam am 25. Dezember 1896 als Sohn von Maria Anna (geb. Daxenbichler) und August Maria Nüchtern, damals „Magistrats Commissär“ und später Wiener Magistratsdirektor, in Wien zur Welt. Nach Ablegung der Matura studierte Nüchtern Germanistik und Philosophie in Wien und Lund (SWE) und promovierte 1921 mit der Dissertation „Die geschichtlichen und zeitgeschichtlichen Voraussetzungen und ihre dichterische Behandlung in den Personen von Grillparzers ‚Ein Bruderzwist in Habsburg‘“ an der Universität Wien.

    Ab 1917 trat Nüchtern als Schriftsteller hervor, war nach dem Abschluss seiner Studien als Verlagssekretär sowie Redakteur tätig und begann bereits in der Gründungsphase der Radio Verkehrs AG (RAVAG) im Sommer 1924 bei deren Versuchssendungen als Sprecher und Dramaturg mitzuwirken. Mit Oktober 1924 wurde er zum literarischen Referenten bzw. in der Folge zum Direktor der literarischen Abteilung der RAVAG ernannt und war in dieser Funktion mit der Leitung der „Radiobühne“ betraut. Im November 1925 übernahm er die neu eingeführte „Klasse für Radiobühne und Radioregie“ am Neuen Wiener Konservatorium, ab dem Sommersemester 1928 wechselte Nüchtern als Leiter eines Kurses für Radiosprechen und Radioregie an die mdw (damals Akademie für Musik und darstellende Kunst) und begann 1928/29 zusätzlich an dem von der mdw ausgegliederten, von Max Reinhardt geleiteten Schauspiel- und Regieseminar Schönbrunn Mikrophonsprechen zu unterrichten.

    Infolge des ‚Anschlusses‘ wurde Nüchtern – als „polit[isch] untragbar“ angesehen – all seiner Funktionen enthoben. Bei der RAVAG bereits fristlos entlassen, blieb er an der mdw noch bis zum Ende des Studienjahres angestellt. Nach mehrmonatiger Arbeitslosigkeit erwirkte er, in die Reichsschrifttumskammer sowie für kurze Zeit auch in die Reichstheaterkammer aufgenommen zu werden, und fand 1939 in Berlin bei der Tobis Filmkunst GmbH Arbeit als Dramaturg. In einem Lebenslauf fasste er die darauffolgenden Ereignisse in knappen Worten zusammen:
    1940 auf Grund neuerlicher Anzeige wieder entfernt, dann freier Filmautor, 1943 total ausgebombt, kurz eingezogen, dann Aussendramaturg der Tobis, auf Grund neuerlicher Anzeige ausgekämmt, im Rüstungseinsatz bei Wehrmachtsfilmstelle.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete Nüchtern zunächst beim Berliner Rundfunk bevor er – „auf den alten Posten zurückberufen“ – Ende 1945 wieder nach Wien kam und ab dem Beginn des Jahres 1946 erneut als Direktor der literarischen Abteilung und darüber hinaus als stellvertretender Programmdirektor der RAVAG eingesetzt war. Ab 1948 unterrichtete er wieder Mikrophonsprechen an dem mittlerweile an die mdw (damals Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien) eingegliederten Max Reinhardt Seminar, wobei sein Vertrag zusätzlich eine Inszenierung pro Studienjahr einschloss. Nach einjähriger Unterbrechung setzte er 1953 seine Lehrtätigkeit für Mikrophonsprechen noch bis 1955 fort.

    Nüchtern, der als Schriftsteller vor allem Lyrik und Novellen publizierte, drei Romane schrieb und Gedichte Gustav Frödings aus dem Schwedischen übersetzte, fungierte im Verlauf seiner Karriere als Präsident der Deutschösterreichischen Schriftstellergenossenschaft, Vorstandsmitglied des Gesamtverbandes schaffender Künstler Österreichs und Vorstandsmitglied des österreichischen P.E.N. Clubs. Er wurde national wie international mit Auszeichnungen geehrt und erhielt unter anderem das Ritterkreuz des Österreichischen Verdienstordens, das Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse, war Ritter des Norwegischen Sankt-Olav-Ordens und des Schwedischen Nordstern-Ordens, Offizier des St.-Sava-Ordens und Kommandeur des Ordens der Krone von Rumänien sowie Träger des Ungarischen Verdienstkreuzes.

    Nüchtern war in erster Ehe mit Berta Kretz (1901-1978) verheiratet, mit der er drei Kinder hatte. Das Paar trennte sich 1931, die Ehe wurde 1938 rechtskräftig geschieden. 1939 ging er in Berlin seine zweite Ehe mit Dorothea „Dora“ (von) Miklosich ein, mit der er bis zu seinem Tod verheiratet blieb.

    Hans Nüchtern starb am 9. Jänner 1962 in Wien. Teilnachlässe Nüchterns befinden sich im Theatermuseum und der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

    Quellen / Literatur:
    mdw-Archiv: Personalakt Hans Nüchtern; 94/Res/1938.
    data.matricula-online.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre St. Karl Borromäus, Taufbuch Bd. 26, fol. 87; Pfarre St. Elisabeth, Taufbuch Bd. 23, fol. 8; Pfarre St. Augustin, Trauungsbuch Bd. 20, fol. 112.
    anno.onb.ac.at: Oesterreichische Volks-Zeitung, 26.011.1917, S. 10 [in der Folge zahlreiche Erwähnungen seiner schriftstellerischen Tätigkeit, die im Sinne der Übersichtlichkeit nicht hier angegeben werden]; Die Bühne, Jg. 1 (1924), H. 4, S. 59; Der Tag, 10.11.1925, S. 5.
    Karin Gradwohl-Schlacher (unter Mitarbeit von Sabine Fuchs), Artikel „Nüchtern, Johann Baptist Emanuel Maria Max [Hans]“, in: Karin Gradwohl-Schlacher, Literatur in Österreich 1938–1945. Handbuch eines literarischen Systems, Bd. 4: Wien, Wien – Köln – Weimar 2018, S. 603-607.
    litkult1920er.aau.at: Primus-Heinz Kucher, Artikel „Hans Nüchtern“.
    scriptdepartment.org: Artikel „Hans Nüchtern“. Wilhelm Kühlmann (Hg.), Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, Bd. 8, 2. vollständig überarbeitete Auflage, Berlin – New York 2010, S. 661.
    Franz Planer, Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte 1929, Wien [1929], S. 449.
    Paul Emödi (Hg.), Wer ist Wer. Lexikon österreichischer Zeitgenossen, Wien 1937, S. 253. Stephen Taylor (Hg.), Who’s Who in Austria. A Biographical Dictionary containing about 4000 biographies of Austrian personalities, Zürich 1954, S. 343.
    Peter Roessler, Günter Einbrodt und Susanne Gföller (Hg.), Die vergessenen Jahre. Zum 75. Jahrestag der Eröffnung des Max Reinhardt Seminars, Wien 2004, S. 67.
    nlv.obvsg.at: Teilnachlässe Hans Nüchtern.

    Empfohlene Zitierweise:
    Erwin Strouhal: Hans Nüchtern, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/93f75eaf-9cb4-4a93-86c4-f467bfa3711d/)

    Letzte Änderung: 14.11.2024