Weill, Erwin
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PersonengruppeLehrende
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Geburtsdatum1885-11-02
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Sterbedatum1945
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Beschreibung
Erwin Weill
geb. 02.11.1885 in Wien, gest. 1945 im KZ Auschwitz (Oświęcim, POL)
Alternative Namen: Ervín WeilErwin Louis Weill wurde am 2. November 1885 als Sohn von Irma (geb. Heim) und Sigmund (ab 1896: Sigismund) Weill in Wien geboren. Weill besuchte eine Handelsakademie, studierte Kunstgeschichte in Zürich (CHE) und betrieb weitere Studien in London (GBR) und München (DEU). Einem 1909 erschienenen, ersten Gedichtband folgten Arbeiten für Münchner Tageszeitungen und ab 1913 die Tätigkeit als Redakteur des „Neuen Wiener Journals“. Seine 1915 mit Angela Maria Kozower geschlossene Ehe dürfte nicht von langer Dauer gewesen sein (die Scheidung erfolgte vermutlich um 1919). Ab den 1920er- Jahren entfaltete Weill ein reiches schriftstellerisches Schaffen: Neben Lyrikbänden und Novellen verfasste er zahlreiche, vor allem historisch-biografische Romane, auch wurden einige seiner Gedichte vertont.
Neben seinen Arbeiten als Autor war Weill als Dramaturg, Regisseur und Mitte der 1920er-Jahre als einer der Direktoren des nur wenige Jahre bestehenden Modernen Theaters an Wiener Bühnen und darüber hinaus auch für den Rundfunk tätig. 1928 erhielt Weill die Lehrbefähigung für Literaturgeschichte, etwa ab dieser Zeit unternahm er Führungen zu Sehenswürdigkeiten in Wien – zuerst im Rahmen der in der Komödie (der Nachfolgebühne des Modernen Theaters) angebotenen Dramatischen Kurse und später als Lehrveranstaltung des Neuen Wiener Konservatoriums. Weill war Mitglied des Journalisten- und Schriftstellervereins Concordia, des österreichischen P.E.N. Clubs und des Verbandes katholischer Schriftsteller sowie von 1933 bis 1936 Kulturreferent der Vaterländischen Front im Neunten Wiener Gemeindebezirk.1933 kam Weill als Vortragender („Kulturgeschichte Österreichs und des österreichischen Theaters“) für die an der mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien) angebotenen, der Öffentlichkeit zugänglichen Volkstümlichen Kurse. Ab dem Sommersemester 1936 erhielt er einen Lehrauftrag über „Führung durch die Kunst- und Kulturstätten Österreichs“.
Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde Weill mit 15. März 1938 „vom Dienste beurlaubt“ – wie es im Jahresbericht über das Studienjahr formuliert wurde. Tatsächlich erging an die betroffenen Lehrenden die Aufforderung, ein Urlaubsgesuch einzubringen. (Wann Weill aus dem Judentum ausgetreten bzw. katholisch getauft worden war, kann nicht genau datiert werden. Da der Austritt seiner Eltern ebenso wie die Taufe seines Vaters und Bruders für 1896 belegt ist, läge eine zeitgleiche bis -nahe Konversion nahe.) Weills Vertrag wurde für Ende Juli 1938 gekündigt, aufgrund eines Formfehlers erfolgte die endgültige Auflösung des Arbeitsverhältnisses jedoch erst mit Ende März 1939. Zu diesem Zeitpunkt hatte Weill, der Ende März 1938 seine Wohnung aufgegeben und zu seiner Mutter gezogen war, bereits das Land verlassen. Bei dem Zustellversuch des Kündigungsdekrets Ende Februar 1939 erteilte seine Mutter die Auskunft, er sei „nach Amerika ausgewandert“. Möglicherweise hatte er eine Flucht dorthin geplant, oder aber es war eine gezielte Fehlinformation, um ihn zu schützen, denn tatsächlich war er bereits Ende August 1938 in die Tschechoslowakei (Prag) geflohen.
Weill wurde am 30. November 1941 von Prag in das Lager Theresienstadt (Terezín, CZE) deportiert. Am 9. Jänner 1942 erfolgte seine Überstellung in das Ghetto von Riga (Riga, LVA) bzw. Kauen (Kaunas, LTU). Mit einem am 29. Juli 1944 gestarteten Transport kam er am 1. August in das KZ Dachau (DEU) und schließlich am 25. Oktober in das KZ Auschwitz (Oświęcim, POL). Einem Augenzeugenbericht zufolge starb Erwin Weill dort, völlig entkräftet durch die erlittenen Strapazen, Anfang des Jahres 1945. Sein Vater war bereits 1915 verstorben, seine Mutter und sein Bruder Otto (geb. 1893) wurden ebenfalls Opfer der Shoah.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Personalakt Erwin Weill; 189/Res/1933; 218/Res/1933; 3696/1936 P2; 197/1937 P2; 866/1938 PU; 98/Res/1938; 89/Res/1939.
familysearch.org: Österreich, Niederösterreich, Wien – Matriken der Israelitischen Kultusgemeinde, Geburtsbuch Bd. K 1885-1886, Nr. 1685 u. Trauungsbuch Bd. E 1881-1885, Nr. 812.
biographien.ac.at: Kira Kaufmann, Artikel „Weill, Erwin (Louis)“.
Österreichische Nationalbibliothek (Hg.), Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft, Bd. 3, München 2002, S. 1436.
Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien (Hg.), Jahresbericht der Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. Schuljahr 1937/38, Wien 1938, S. 8.
wien.gv.at: WAIS – Wiener Archivinformationssystem, Meldezettel Erwin Weill.
holocaust.cz: Eintragung zu „Ervín Weil“.
doew.at: Personendatenbank.
collections.arolsen-archives.org: Inhaftierungsdokumente, Ghetto Theresienstadt-Kartei [als Ervin Weil]; Inhaftierungsdokumente, Individuelle Häftlingsunterlagen KL Dachau; Inhaftierungsdokumente, Schreibstubenkarten Dachau.
Elena Makarova und Sergej Makarov, 3000 Schicksale. Die Deportation der Juden aus dem Ghetto Theresienstadt nach Riga 1942, Riga 2015, S. 80-88.
anno.onb.ac.at: Reichspost, 26.11.1915, S. 5.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Erwin Weill, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/adbb957e-858a-4193-b004-81a007548634/)Letzte Änderung: 14.11.2024