Buxbaum, Siegfried "Friedrich"
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PersonengruppeLehrende
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Geburtsdatum1869-09-23
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Sterbedatum1948-10-04
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Beschreibung
Siegfried „Friedrich“ Buxbaum
geb. 23.09.1869 in Wien, gest. 04.10.1948 in London (GBR)
Siegfried Buxbaum wurde am 23. September 1869 als Sohn von Rosa (geb. Wilhartitz) und Max Buxbaum in Wien geboren. Abweichend von dem bei der Geburt eingetragenen Namen wurde er Friedrich gerufen und trat mit diesem Vornamen später öffentlich auf.
Von 1885/86 bis 1888/89 wurde Buxbaum in der Violoncelloklasse Ferdinand Hellmesbergers an dem von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien geführten Conservatorium für Musik und darstellende Kunst ausgebildet. 1889 schloss er seine Studien mit einem Diplom ab und wurde bei dem unter den Absolvent_ innen des Konservatoriums abgehaltenen „Concurs [es] für Streich- und Blasinstrumente und Orgel“ mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Am Beginn seiner Karriere als Solist, Kammer- und Orchestermusiker stehen u.a. gemeinsame Auftritte mit seiner Schwester, der Geigerin Olga Buxbaum (verh. Müller), in Wien. 1891 ging er nach Großbritannien, wo er in dem von August Manns geleiteten Glasgow Choral Union Orchestra und ab 1893 als Kammermusiker in einem Ensemble von Theodor Plowitz tätig war. Im Jahr darauf wurde Buxbaum – mittlerweile nach Österreich zurückgekehrt – Mitglied des neu gegründeten Fitzner-Quartetts. 1900 in das Hofopernorchester und als Mitglied der Wiener Philharmoniker aufgenommen, war er ab 1901 zudem Cellist des von Arnold Rosé gegründeten und nach diesem benannten Streichquartetts. Nach seinem – offenbar von Rosé betriebenen – Ausscheiden aus dem Ensemble 1921 gründete Buxbaum noch im gleichen Jahr gemeinsam mit Franz Mairecker das Mairecker-Buxbaum-Quartett, dem weiters Max Starkmann (zweite Violine) und Ernst Morawec (Viola) angehörten. 1924 schied Mairecker aus dem Quartett aus, das sich ab nun Buxbaum-Quartett nannte (die erste Violine wurde mit Robert Pollak, später mit Felix Eyle besetzt). Nach der Rückkehr Maireckers 1929 änderte sich der Name wieder in Mairecker-Buxbaum-Quartett bzw. im darauffolgenden Jahr in Mairecker-Quartett, als Buxbaum – wieder mit Rosé ausgesöhnt – in dessen Ensemble zurückkehrte.
Seit 1901 war Buxbaum mit Katharina Schostal (1880-1963) verheiratet, das Ehepaar hatte zwei Söhne: Erich Karl (geb. 1902) und Walter Paul (geb. 1907). 1903 trat die Familie aus dem Judentum aus und konvertierte zum katholischen Glauben. Im selben Jahr begann Buxbaum am Konservatorium Violoncello zu unterrichten und wurde bei der Verstaatlichung der Institution an die daraus entstandene k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien übernommen, bei dieser Gelegenheit erhielt er den Professortitel. Als 1924 von der Akademie die Fachhochschule für Musik und darstellende Kunst abgespalten wurde, erfolgte Buxbaums Ernennung zum ao. Professor an der neu gegründeten Institution. In Würdigung seiner künstlerisch-pädagogischen Tätigkeit wurde ihm 1927 der Titel eines Regierungsrats verliehen. Auch nach der 1931 erfolgten Auflassung der Fachhochschule blieb ihm sein Status als Hochschulprofessor erhalten. An der Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien wurde er neben der regulären Unterrichtserteilung ab 1933 auch mit der Leitung einer „Spezialklasse für Violoncell“ [sic] betraut.
Nach dem ‚Anschluss‘ wurde Buxbaum mit 15. März 1938 „beurlaubt“ bzw. ersuchte er mit einem Schreiben vom 29. März „Ueber erteilte Weisung […] um Beurlaubung von meinem Dienste als a.o. Hochschulprofessor“. Bei seiner in der Folge vorgesehenen Pensionierung kam es vermutlich aufgrund eines Wechsels in der Akademieleitung zu einer Verzögerung, so dass diese erst mit Ende November 1939 erfolgte. Im März 1940 wurde festgestellt, dass er, da er vor Beendigung des Verfahrens um seine Pensionierung ausgewandert sei, sämtliche „fliessenden Befugnisse, Rechte und Ansprüche“ verloren hätte. Somit gelangten seine Bezüge, auf die er seit seiner Flucht ohnehin nicht zugreifen konnte, rückwirkend mit 30. September 1938 zur Einstellung. Die entsprechende Benachrichtigung Buxbaums verließ jedoch niemals das Haus, da der Brief „wegen des Krieges nicht bestellbar“ war, wie auf dem Umschlag notiert wurde. Wesentlich rascher war seine Pensionierung als Angehöriger des Staatsopernorchesters abgewickelt worden, wobei ihm aufgrund des zumindest offiziell von der Akademie bezogenen Gehalts die Auszahlung der Pension verweigert wurde. Seine Entlassung bei den Wiener Philharmonikern war bereits mit dem 1. Juli 1938 erfolgt.
Das auf Buxbaums Meldezettel angegebene Abmeldedatum 10. Juli 1939 gibt sicher nicht den tatsächlichen Zeitpunkt seiner Flucht wieder, sondern dürfte aufgrund der späteren Meldung eines in der Nebenstiege wohnenden Nachbarn erfolgt zu sein. Bernadette Mayrhofer belegte anhand der Korrespondenz der Familie Rosé, dass Buxbaum etwa im September 1938 Wien verließ. Wie ein Brief an die Akademie annehmen lässt, ist sein Sohn Erich bereits vor ihm nach Großbritannien geflohen:
„Meine ursprüngliche Absicht hier meinen Sohn zu besuchen hat sich insofern geändert, dass ich mich entschlossen habe, auch fernerhin hierzubleiben, und hoffe von hier aus meine Angelegenheiten ordnen zu können. “
Sein zweiter Sohn Walter war bereits Ende der 1920er-Jahre, nach seinem Klavier- und Musiktheoriestudium an der mdw (damals Akademie für Musik und darstellende Kunst), in die USA gegangen, wo er als Pianist, Organist und Musikpädagoge tätig war. Er kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem in Paul Walters geänderten Nachnamen häufig nach Europa, unter anderem auch nach Wien, zurück.
In London musste sich der mittlerweile 69-jährige Buxbaum eine neue berufliche Existenz aufbauen. Ende November 1938 wurde ihm der unbefristete Aufenthalt gestattet und er erhielt die Erlaubnis zu unterrichten. Einem umgehend geschalteten Inserat zufolge bot er Violoncello- und Kammermusikunterricht an. Mit dem neu formierten Rosé-Quartett konnte Buxbaum kurz darauf auch seine Konzerttätigkeit wieder aufnehmen.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft meldete sich Buxbaum im Februar 1946 bei der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien und ersuchte, „Details ueber meine Stellung und meine Bezuege nach den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen“ zu erhalten. Präsident Karl Kobald, der nach der Übernahme der Akademieleitung 1945 dem Unterrichtsministerium bekanntgegeben hatte, auf die Rückberufung einiger vertriebener Lehrender – unter ihnen Buxbaum – keinen Wert zu legen, antwortete ihm:
„Eine weitere aktive Lehrtätigkeit dürfte wohl mit Rücksicht auf Ihr Alter an der Akademie nicht mehr in Frage kommen, so sehr ich natürlich Ihre ausgezeichnete Künstlerschaft und pädagogischen Qualitäten hochschätze. Wie Ihnen ja bekannt sein dürfte, sind die Verhältnisse in Wien und eben auch an der Akademie wenig günstig und als Ihr Freund möchte ich Ihnen raten, falls Sie beabsichtigen hiher [sic] zurückzukommen, einen günstigeren Zeitpunkt abzuwarten. “
Auf eine im Oktober 1946 von den Wiener Philharmonikern an vertriebene Mitglieder ausgesandte Einladung, an ihre früheren Plätze im Orchester zurückzukehren, gab Buxbaum die Absicht bekannt, im Frühling 1947 nach Wien remigrieren zu wollen, wozu es jedoch nicht kam. Im Zuge einer Tournee wurde Buxbaum 1947 von den Wiener Philharmonikern mit der Nicolai-Medaille in Silber geehrt.
Am 4. Oktober 1948 starb Siegfried „Friedrich“ Buxbaum im Londoner Exil. Drei Jahre nach seinem Tod stellte seine Witwe einen Antrag auf Erhalt einer Gnadenpension – ein Ansuchen, das der Präsident der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien Hans Sittner unterstützte, „um sie nicht der Notlage preiszugeben und einiges von dem gutzumachen, was ihr und ihrem Gatten das verflossene Regime an Leid und Unbill zugefügt hat, erschiene ihre Berücksichtigung nur gerecht und als eine Ehrenpflicht der Heimat. “
Am 17. August 2020 wurde am Max-Reinhardt-Platz in Salzburg im Gedenken an sein Wirken in Salzburg und seine Verfolgung ein ‚Stolperstein‘ für Siegfried „Friedrich“ Buxbaum verlegt.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Personalakt Siegfried (Friedrich) Buxbaum (Standesausweis und 623/Präs/1951); 197/Pr/1909; 214/Pr/1914; 58/Pr/1915; 132/R/1927; 192/Res/1933; 2592/1934 V; 886/1938 PU; 1843/1938 Min; 326/Res/1939; 98/Res/1940; Matrikelblatt Walter Buxbaum; 227/Res/1945; 100/Res/1946.
genteam.at: Index der jüdischen Matriken Wien und Niederösterreich; Austritte in Wien aus der IKG 1868-1914.
data.matricula-onine.eu: Rk. Erzdiözese Wien, Pfarre St. Stephan, Taufbuch Bd. 125, fol. 169 u. Pfarre Alservorstadt, Taufbuch Bd. 50, fol. 28.
Bernadette Mayrhofer und Fritz Trümpi, Orchestrierte Vertreibung. Unerwünschte Wiener Philharmoniker. Verfolgung, Ermordung und Exil, Wien 2014, S. 91-101, hier: insbes. S. 102, 104-106.
Lynne Heller, Geschichte der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien, Schlussbericht eines Forschungsprojekts des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Bd. 4, Typoskript, Wien 1994, insbes. S. 633-634.
Conservatorium für Musik und darstellende Kunst der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Hg.) [i.d.F. Konservatorium], Bericht über das Conservatorium für Musik und darstellende Kunst der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Gegründet 1817) für das Schuljahr 1885-1886 [i.d.F. Jahresbericht], Wien 1886, S. 13.
Konservatorium, Jahresbericht 1886–1887, S. 13.
Konservatorium, Jahresbericht 1887–1888, S. 13.
Konservatorium, Jahresbericht 1888–1889, S. 13, 82, 89.
anno.onb.ac.at: Die Presse, 04.01.1891, S. 16; Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung, 15.01.1893, S. 19; Neue Freie Presse, 13.10.1901, S. 16; Signale für die musikalische Welt, 29.06.1921 S. 688; Neues Wiener Tagblatt, 04.09.1921, S. 14; Reichspost, 24.11.1921, S. 6; Neues Wiener Tagblatt, 29.06.1924, S. 12; Neue Freie Presse, 20.10.1929, S. 16; Neues Wiener Journal, 21.09.1930, S. 30; Die Stunde, 23.09.1930, S. 3; Radio Wien, 10.04.1931, S. 33; Arbeiterwille, 07.10.1948, S. 2.
mgg-online.com: Jürgen Stegmüller, Artikel „Fitzner-Quartett“.
A. Ehrlich (Hg.), Das Streichquartett in Wort und Bild, Leipzig 1898, S. 22 [hier wird angeführt, Buxbaum wäre „Solo-Cellist an dem Symphonie-Orchester in Glasgow (Schottland) unter Aug. Manns“ gewesen. In Glasgow leitete Manns das Glasgow Choral Union Orchestra (siehe dazu oxfordmusiconline.com: John Purser, Artikel „Glasgow”)].
newspapers.com: North British Daily Mail, 07.01.1892, S. 1; Glasgow Herald, 25.01.1893, S. 7; Ventura County Star, 20.11.1934, S. 6; The Daily Telegraph and Morning Post, 03.12.1938, S. 1; Ventura County Star 07.03.1942, S. 3; The Guardian, 22.10.1948, S. 8.
konzerthaus.at: Archivdatenbank.
ancestry.com: England & Wales, Civil Registration Death Index; New York, U.S., Arriving Passenger and Crew Lists; U.S., World War II Draft Cards Young Men; England & Wales, National Probate Calendar (Index of Wills and Administrations).
Clemens Hellsberg, Demokratie der Könige. Die Geschichte der Wiener Philharmoniker, Zürich – Wien – Mainz 1992, S. 504.
wien.gv.at: WAIS – Wiener Archivinformationssystem, Meldezettel Siegfried Buxbaum.
Wiener Adressbuch. Lehmanns Wohnungsanzeiger. 1938. Neunundsiebzigster Jahrgang, Bd. 2, Teil 4, S. 264 bzw. Bd. 1, Teil 1, S. 506.
Mitteilung der The Thacher School Library (Dokumente zu Walter Buxbaum [Paul Walters]).
stolpersteine-salzburg.at: Friedrich Buxbaum.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Siegfried „Friedrich“ Buxbaum, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/d1ecc548-4bb6-40ef-baf5-3ee72c0ce08e/)Letzte Änderung: 14.11.2024