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Graf, Max


  • Personengruppe
    Lehrende
  • Geburtsdatum
    1873-10-01
  • Sterbedatum
    1958-06-24
  • Beschreibung

    Max Graf

    geb. 01.10.1873 in Wien, gest. 24.06.1958 in Wien

    Max Graf kam am 1. Oktober 1873 als Sohn von Regine (geb. Lederer) und Josef Graf in Wien zur Welt. Er besuchte Gymnasien in Teplitz (Teplice, CZE), Prag (Praha, CZE) und Wien. Nach Ablegung der Matura am Akademischen Gymnasium studierte Graf Jus an der Universität Wien, belegte zusätzlich Musikgeschichte bei Eduard Hanslick und Musiktheorie bei Anton Bruckner und betrieb historische Studien am Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Sein rechtswissenschaftliches Studium schloss er 1896 mit der Promotion zum Dr. iur. ab. Danach hielt sich Graf ein Jahr in Paris (FRA) und Rom (ITA) auf, wo er sich – obwohl er seine geisteswissenschaftlichen Studien nicht abgeschlossen hatte – musikhistorischen Arbeiten widmete.

    Aus konservativem Elternhaus stammend, begeisterte sich Graf als junger Student – besonders beeindruckt von Victor Adler – für die Sozialdemokratie. Im Café Griensteidl traf er sich mit Karl Kraus, Arnold Schönberg, Alfred Polgar, Hermann Bahr und Hugo von Hoffmannsthal (der auch ein Schulkollege von ihm gewesen war), um nur einige der zahlreichen Persönlichkeiten des Wiener kulturellen und geistigen Lebens des Fin-de-Siècle zu nennen, mit denen er bis zum Umbau des Kaffeehauses dort verkehrte. Zu seinem späteren Stammtisch im Café Imperial zählten unter anderem die Komponisten Gustav Mahler und Eugen d’Albert, die Dirigenten Franz Schalk und Felix Weingartner sowie der ebenfalls als Musikkritiker tätige Robert Hirschfeld.

    Im Dezember 1898 heiratete er Olga Hönig (1877-1961), aus der Ehe gingen zwei Kinder – Herbert (1903-1973) und Hanna (1906-1942, verh./gesch. Sujeff) – hervor. Graf, der 1900 aus dem Judentum ausgetreten war, trat nach Auflösung der Ehe im Jahr 1920 wieder der jüdischen Religionsgemeinschaft bei. Im selben Jahr heiratete er Rosa Zentner (1895-1928), die jedoch bereits acht Jahre später starb. Ende Dezember 1929 schloss er seine dritte Ehe mit der Opernsängerin Leopoldine „Polly“ Batic (1906-1992).

    Bereits während seiner Studienzeit war Graf für die von seinem Vater herausgegebene „Kritische Revue aus Oesterreich für Politik, Socialökonomie, Kunst, Wissenschaft und Litteratur“ [sic] tätig; seine früheste Erwähnung als Mitarbeiter kann auf 1891 datiert werden. Ab 1892 schrieb er für die „Musikalische Rundschau“ (die anfänglich als Beilage der „Kritische[n] Revue“ erschien) und die ebenfalls von seinem Vater herausgegebene „Extrapost“ (später: „Wiener Montags- Journal“) und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem gefragten Musikkritiker und Feuilletonisten bei einer Vielzahl in-und ausländischer Zeitungen und Zeitschriften. Außerdem trat er als Autor musikwissenschaftlicher Publikationen hervor (u.a. 1898 „Deutsche Musik im 19. Jahrhundert“, 1905 „Die Musik im Zeitalter der Renaissance“, 1910 „Die innere Werkstatt des Musikers“, 1931 „Vier Gespräche über Deutsche Musik“), in denen er einen breiten kulturwissenschaftlichen Ansatz vertrat und auch Theorien Freuds verarbeitete, dessen Psychologischer Mittwoch-Gesellschaft er angehörte.

    1902, eventuell erst 1903 begann er als Lehrer für Ästhetik der Tonkunst seine pädagogische Tätigkeit an der Vorgängerinstitution der mdw, dem Konservatorium für Musik und darstellende Kunst in Wien. 1909, nach der Verstaatlichung des Konservatoriums, das als k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien weitergeführt wurde, erhielt er den Titel „Dozent“, 1913 wurde ihm der Professortitel verliehen und seine Lehrverpflichtung um „Allgemeine Geschichte der Musik“ erweitert. Grafs Bestrebungen, den Unterricht anschaulich zu gestalten, werden anhand einer Korrespondenz mit der Akademie aus 1917 ersichtlich: So hatte er bereits beim Bau des Akademiegebäudes 1913 erreicht, dass an den Rückwänden der Vortragssäle Stecker angebracht wurden, um mittels Diaprojektoren
    Manuskripte, Bilder von Musikern, Bilder alter Instrumente, bildliche Darstellungen der alten Musikpraxis u.s.w. mit dem praktischen und leicht handlichen Werkzeug des Projektionsapparates vorführen
    zu können. Nachdem aufgrund Geldmangels keine Projektoren seitens der Akademie angeschafft werden konnten, erwirkte er die Schenkung eines Apparates und konnte 1918 eine Spende für einen „Fond [sic] zur Anschaffung von Lichtbildern“ lukrieren.

    1914 zunächst als „invalid, zum Waffendienste beim Landsturm ungeeignet“ eingestuft, konnte er noch unterrichten, wurde jedoch im Jahr darauf neuerlich einer Musterung unterzogen und musste schließlich im Frühling 1916 zum Kriegsdienst einrücken und am Russland-Feldzug teilnehmen. Neben seiner bereits genannten publizistischen und der pädagogischen Tätigkeit an der Akademie war Graf in vielfacher Weise im Wiener bzw. Österreichischen Musik- und Kulturleben aktiv: Seit Anfang der 1910er-Jahre hielt er Vorträge an der Urania, ab Mitte der 1920er-Jahre gelegentlich im Radio Wien. (Wesentlich regelmäßiger schrieb er jedoch für die gleichnamige, von der RAVAG herausgegebene Zeitschrift.) Von 1919 bis 1922 gab er die Zeitschrift „Musikalischer Kurier“ heraus. Darüber hinaus war er unter anderem Mitorganisator der Schubert-Zentenarfeier (1928) und Mitglied der Kommission zur Verleihung der Kompositionspreise der Stadt Wien.

    Nach dem ‚Anschluss‘ wurde Max Graf an der Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien umgehend beurlaubt bzw. in der Folge vom kommissarischen Leiter „ersucht ein Urlaubsgesuch einzubringen“. Ende Mai 1938 wurde sein Dienstverhältnis schließlich für den 31. August gekündigt. Vermutlich dank der Unterstützung seines Bruders, der bereits in New York (NY) lebte und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, konnten Graf und seine Familie der nationalsozialistischen Verfolgung entkommen und in die USA fliehen. Er selbst ging am 26. Juni 1938 in Neapel an Bord der S. S. Saturnia, auf der sich bereits seine in Triest (ITA) zugestiegene Tochter und die Kinder seiner Schwester befanden; am 7. Juli lief ihr Schiff in New York ein. Grafs Sohn und dessen Familie lebten dort bereits seit 1936, wo Herbert Graf an der Metropolitan Opera als Regisseur tätig war. 1940 kamen schließlich auch Grafs Schwester Trude Hasterlik und deren Mann Otto, die zuvor in Guatemala Zuflucht gefunden hatten, in New York an. Seine anderen Geschwister Rosa und Alphons (auch: Alfred) waren bereits in jungen Jahren, seine in Wien verbliebenen Brüder Friedrich im April 1938 und Paul im Juni oder Juli 1940 gestorben.

    Graf ließ sich in New York nieder, wo er von 1939 bis 1947 (teilweise mit kurzen Unterbrechungen) an The New School for Social Research musikwissenschaftliche Vorlesungen und ein Seminar für Musikkritik hielt. Außerdem war er Gastvortragender am Fine Arts College des Carnegie Institute of Technology (jetzt: Carnegie Mellon University in Pittsburgh, PA) und an der Temple University in Philadelphia (PA). Einen schweren Schicksalsschlag erlitt Graf im August 1942, als seine Tochter, die im Jahr zuvor eine Lehrstelle am New England Conservatory in Boston (MA) angetreten hatte, Selbstmord beging. Seine schriftstellerische Tätigkeit setzte Graf im Exil fort: 1945 erschien „Legend of a Musical City“, es folgten „Composer and Critic: Two Hundred Years of Musical Criticism“ (1946), „Modern Music: Composers and Music of our Time“ (1946) und „From Beethoven to Shostakovich: The Psychology of the Composing Process“ (1947). Bereits ab 1946 verfasste Graf, der im Jahr zuvor die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, in New York Beiträge für die in Wien erscheinende Zeitung „Neues Österreich“.

    Ende Juli 1946 wandte sich das Bundesministerium für Unterricht mit der Frage an die Akademie, „ob für den seinerzeit emigrierten Musikhistoriker Dr. Max Graf im Falle seiner Rückkehr nach Oesterreich eine Verwendungsmöglichkeit“ bestehe bzw. „ob eine solche aus künstlerischen pädagogischen Gründen geschaffen werden sollte“. Akademiepräsident Karl Kobald antwortete, dass „prinzipiell […] eine Lehrstelle zu schaffen wäre“, wies jedoch auf das „hohe Alter des Genannten“ hin, aufgrund dessen „sich eine Wiedereinstellung in seine frühere Lehrtätigkeit wohl kaum mehr empfehlen“ würde. Er schlug vor, Graf „im Hinblick auf seine Verdienste als Lehrer und Musikschriftsteller“ die Verleihung „einer gnadenweisen Ehrenpension in Erwägung zu ziehen“.

    In einem Schreiben des Unterrichtsministers Felix Hurdes vom 29. November 1946 lud dieser Graf in Würdigung dessen „seinerzeitigen erfolgreichen Lehrtätigkeit“ und bezugnehmend auf die Verdienste, die sich Graf durch seine „wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit um das Ansehen des österreichischen Kulturlebens im Auslande erworben habe“, dazu ein, seine Lehrtätigkeit an der Akademie wiederaufzunehmen, und behielt sich „die Erteilung eines konkreten Lehrauftrages“ vor.

    Im Juli 1947 kehrte Graf nach Wien zurück und hielt ab dem Wintersemester 1947/48 an der Akademie ein Seminar für Musikkritik, wobei er das Gehalt seines ersten Semesters für Stipendien spendete. Das Seminar erfreute sich regen Interesses, weswegen seine Lehrtätigkeit nicht bereits wie geplant mit Ablauf des Wintersemesters beendet, sondern für die Dauer des Sommersemesters verlängert wurde. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Akademie hielt er 1949 ein Seminar für Musikkritik an der Internationalen Sommerakademie des Mozarteums in Salzburg, war als Vortragender und als Musikkritiker für die „Welt am Abend“ (1947-1948) und „Die Weltpresse“ (1948-1950) tätig, gelegentlich schrieb er für die „Österreichische Musikzeitschrift“.

    1950 war Graf eines der Gründungsmitglieder der Hugo-Breitner-Gesellschaft, die sich die Förderung begabter und bedürftiger Musikstudierender zum Ziel setzte. 1948, 1949 und 1957 kehrte er jeweils für kurze Zeit nach New York zurück, um an der New School for Social Research Vorlesungen zu halten. 1949 erschien mit „Legende einer Musikstadt“ die deutsche Übersetzung seiner im Exil verfassten „Legend of a Musical City“, es folgten „Geschichte und Geist der modernen Musik“ (1953), „Die Wiener Oper“ (1955) und 1957 schließlich seine Lebenserinnerungen „Jede Stunde war erfüllt. Ein halbes Jahrhundert Musik- und Theaterleben“.

    Max Graf starb am 24. Juni 1958 in Wien.

    Quellen / Literatur:
    mdw-Archiv: Personalakt Max Graf, Personenstandesblatt und Standesausweis; 189/Pr/1909; 9/Pr/1913; 469/Pr/1913; 68/Pr/1914 (Curriculum vitae [undatiert]); 408/Pr/1914; 360/Pr/1915; 42/Pr/1916; 452/Pr/1917; 100/Pr/1918; 866/1938 PU; 314/Pr/1946; 87/Präs/1947; 441/Präs/1947; 418/Präs/1950.
    familysearch.org: Geburtsmatrikel der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Bd. E 1872-1874, Nr. 6071.
    genteam.at: Index der jüdischen Matriken Wien und Niederösterreich.
    biographien.ac.at: Theodor Venus, Artikel „Graf, Max“.
    lexm.uni-hamburg.de: Sophie Fetthauer, Artikel „Max Graf“.
    musiklexikon.ac.at: Cornelia Szabó-Knotik und Meike Wilfing-Albrecht, Artikel „Graf, Familie‟.
    psyalpha.net: Christine Diercks, Artikel „Max Graf“.
    Max Graf, Jede Stunde war erfüllt. Ein halbes Jahrhundert Musik- und Theaterleben, Wien – Frankfurt 1957, insbes. S. 127-135, S. 162-166, S. 171-179 u. S. 250.
    Kritische Revue aus Oesterreich für Politik, Socialökonomie, Kunst, Wissenschaft und Litteratur [sic], Band 2 (Heft 13 bis Heft 23), Wien 1891, S. V.
    anno.onb.ac.at: Extrapost, 15.02.1892, S. 5 [Erwähnung als Autor der „Musikalischen Rundschau“]; Max Graf, Amico Fritz, in: Extrapost, 28.03.1892, S. 1-2 [als frühester gefundener Artikel]; Die Zeit, 27.05.1911, S. 6; Neues Österreich. Organ der demokratischen Einigung, 21.04.1946, S. 3; Wiener Zeitung 31.07.1947, S. 4; Welt am Abend, 26.04.1948, S. 5; Die Weltpresse, 11.11.1950, S. 6.
    Richard von Perger und Robert Hirschfeld, Geschichte der k. k. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Wien 1912, S. 328.
    Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Hg.), Statistischer Bericht über das Konservatorium für Musik und darstellende Kunst der […] Gesellschaft der Musikfreunde in Wien […] für das Schuljahr 1902-1903, Wien 1903, S. 14.
    Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Hg.), Statistischer Bericht über das Konservatorium für Musik und darstellende Kunst der […] Gesellschaft der Musikfreunde in Wien […] für das Schuljahr 1903-1904, Wien 1904, S. 14.
    ripm.org: Peter Sühring, Artikel „Musikalischer Kurier (Vienna, 1919-1922)“.
    ancestry.com: New York, U.S., Arriving Passenger and Crew Lists; New York, U.S. Index to Petitions for Naturalization.
    digital.archives.newschool.edu: New School Bulletins; Curriculum The New School for Social Research; Dramatic Workshop of the New School for Social Research 1940–1941; Announcement of a series of talks by Max Graf, „Comments and Recollections of a Music Critic“.
    friedhoefewien.at: Verstorbenensuche [Friedhof Lainz].
    newspapers.com: The Boston Globe, 22.09.1941, S. 8; The Boston Globe, 27.08.1942, S. 9; The Pittsburgh Press, 19.03.1947, S. 7.
    Akademie für Musik und darstellende Kunst Mozarteum in Salzburg (Hg.), Jahresbericht 1948/49, S. 66 u. Jahresbericht 1949/50, S. 35 [beide Jahresberichte enthalten Angaben zur Sommerakademie von 1949].
    Österreichische Musikzeitschrift, Gesamtregister 1946-1970. Jahrgang 1-25. Zusammengestellt von Christa Harten-Flamm, Wien 1975, S. 13.

    Empfohlene Zitierweise:
    Erwin Strouhal: Max Graf, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/d2babba0-1347-42e8-8bcc-363bd8c840ea/)

    Letzte Änderung: 14.11.2024