Kunowski, Rolf
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PersonengruppeStudierende
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Geburtsdatum1917-11-09
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Sterbedatum2014-09-05
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Beschreibung
Rolf Kunowski
geb. 09.11.1917 in Halle an der Saale (DEU), gest. 05.09.2014 in Brisbane, QLD (AUS)
Alternative Namen: Rolf KunoRolf Kunowski kam am 9. November 1917 als Sohn von Auguste Martha (geb. Schröter) und Dr. Salo Kunowski in Halle an der Saale (DEU) zur Welt, wo sein Vater als Universitätslektor tätig war.
Kunowski absolvierte an der Staatlich-städtischen Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein eine Ausbildung zum Kunsterzieher. Er wurde im nationalsozialistischen Deutschland zweimal wegen politischer Äußerungen verhaftet und im August 1939 zu mehrmonatigem Arrest verurteilt, den er im Straflager Moosburg verbüßte. Dort kam Kunowski an Kontakte zu „immer noch österreichische[n] Hilfsnetze[n]“ und ging nach seiner Entlassung Mitte April 1940 nach Wien, wo er sich einer sozialdemokratischen Widerstandsgruppe anschloss. Er fand Arbeit in einer Kunstgewerbefirma und wurde nach deren Verkauf 1943 zwar als Mitarbeiter übernommen, jedoch von der Arbeit freigestellt. Dadurch war er finanziell abgesichert und hatte ausreichend Zeit, um 1943/44 sowohl ein Regiestudium am Schauspiel- und Regieseminar Schönbrunn der mdw (damals Reichshochschule für Musik Wien) zu beginnen als auch Theaterwissenschaft an der Universität Wien zu studieren und einen Kurs für darstellende Kunst bei Anna Bahr-Mildenburg an der Musikschule der Stadt Wien (heute: Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien) zu besuchen.
Kunowskis Aufenthalt in Wien blieb vom Gauamt für Sippenforschung nicht unbemerkt. Im Mai 1941 wurde er dorthin vorgeladen und mit Schreiben des Gauamts vom 27. Oktober 1941 informiert:
„Nach Abschluss Ihrer Abstammungsangelegenheit teilen wir Ihnen mit, dass Sie Mischling I. (ersten) Grades sind. Ihr Vater wurde am 14.6.1883 in Brest-Litowsk [geboren] und ist Jude. “
Ein im April 1943 an ihn ergangenes Schreiben des Gauamts, mit dem er zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert wurde, kann als Hinweis darauf gelesen werden, dass er das Amt mit der Aussicht auf Dokumente, die eine jüdische Herkunft widerlegen könnten, eine Zeit lang hingehalten hat. Doch noch eine weitere Stelle wurde in seiner Angelegenheit aktiv: Im Mai 1944 forderte die Studentenführung der Universität Wien Rektor Eduard Pernkopf zur neuerlichen Überprüfung der Studienberechtigung Kunowskis auf:
„Wie ich durch eine politische Beurteilung vom Rassenpolitischen Amt der NSDAP erfahre, ist er Mischling I. Grades. In seinen Meldungspapieren gibt er sich zwar als Arier aus, doch dürften auf Grund seines äußeren Erscheinungsbildes keine Zweifel an einer jüdischen Abstammung bestehen. Ich möchte daher bitten, eine nochmalige Überprüfung […] vornehmen zu lassen, da ein Studium des Genannten sicher äußerst unerwünscht ist. “
Wie genau Kunowski es schaffte, sich ohne eine weitere Verhaftung durch die Zeit des Nationalsozialismus zu bringen, lässt sich aus heutiger Sicht kaum nachvollziehen. Seine Studienkollegin Hilde Mikulicz schrieb in ihren Erinnerungen dazu, dass er
„Beistand bei einem einfachen Beamten seiner polizeilichen Meldestelle in Wien fand. […] Da er sich ständig mit seinen verhängnisvollen Papieren melden mußte, erhielt er nach Verlustmeldung tatsächlich andere, unverfänglichere Unterlagen. Wie leicht das Gewebe menschlicher Hilfsbereitschaft zerreissen konnte, stand in Angst täglich zur Frage. “
Sein nach Frankreich geflohener Vater wurde am 28. August 1942 von Drancy nach Auschwitz (Oświęcim, POL) deportiert und ermordet.Als Student des Schauspiel- und Regieseminars Schönbrunn (heute: Max Reinhardt Seminar) setzte sich ‚der Kuno‘ – wie er allgemein genannt wurde – für dessen Weiterführung nach der Ausrufung des ‚totalen Krieges‘ bzw. der Schließung der Hochschulen ein. Über seinen Bekanntenkreis erfuhr er, dass für die Erzeugung von Tretminen Produktionsstätten gesucht wurden, und er organisierte die Einrichtung einer solchen im Palais Cumberland. Dass die dort hergestellten Zünder keine Hilfe für den Krieg waren, sondern damit vielmehr Sabotage betrieben wurde – wie Kunowski später in einem Interview erzählte –, war selbst dem damaligen Leiter des Seminars, Hans Niederführ, bewusst. Da die Studierenden wegen ihres Einsatzes vor Ort nicht zu anderen Kriegsleistungen eingezogen wurden, fand bis kurz vor den letzten Kriegstagen noch Unterricht statt, und es gab sogar Aufführungen. Nach Kriegsende übernahm Kunowski im Sommersemester 1945 gemeinsam mit Heribert Kuchenbuch kurzfristig die Leitung des Seminars.
Anfang Mai 1945 heiratete er seine Studienkollegin Margeretha „Gretl“ Welzl (1927-2006) und gründete die Theatergruppe Das junge Theater, die großteils aus ehemaligen Studierenden des Seminars zusammengesetzt war. 1950 ging das Ehepaar Kunowski nach Australien (Brisbane) und änderte den Familiennamen in Kuno.
Rolf Kuno, der in Australien als Cultural Development Officer für das Bundesland Queensland tätig war, blieb Wien sein Leben lang verbunden und kam regelmäßig zu Treffen mit ehemaligen Studierenden des Schauspielseminars nach Österreich. Für seine langjährige Tätigkeit als Präsident der Austrian Society in Queensland, deren Ehrenmitglied er war, wurde er 2007 mit dem Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.
Rolf Kuno (geb. Kunowski) starb am 5. September 2014 in Brisbane (Queensland), Australien.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: Matrikelblatt Rolf Kunowski; Interviews mit Rolf Kuno vom 09.06.1998 und vom 13.03.2002; Hilde Mikulicz, Vorübergehend geschlossen. Das sogenannte Jahr Null im Reinhardt-Seminar 1944 – 1945 […], Typoskript [undatiert].
Wiener Stadt- und Landesarchiv: Gauamt für Sippenforschung, A6 – Abstammungsunterlagen: Kunowski Rolf.
collections.arolsen-archives.org: Schriftgut des ITS und seiner Vorläufer.
ressources.memorialdelashoah.org: Eintrag zu „Sale Kinowski“ [sic].
Lisa Hauff und Susanne Heim (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Band 11: Deutsches Reich und Protektorat Böhmen und Mähren: April 1943-1945, Berlin – Boston 2020, S. 416-417.
Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien (Hg.), Jahresbericht. Sommersemester 1945. Studienjahre 1945/46-1954/55, Wien 1960, S. 41.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Rolf Kunowski, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons/e1d6ceb8-1b98-4745-8fd3-c9bddf9104d0/)Letzte Änderung: 14.11.2024