Culp-Ginzkey, Julia
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PersonengruppeLehrende
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Geburtsdatum1880-10-06
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Sterbedatum1970-10-13
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Beschreibung
Julia Culp-Ginzkey
geb. 06.10.1880 in Groningen (NLD), gest. 13.10.1970 in Amsterdam (NLD)
Alternative Namen: verh./gesch. Julia Merten, auch Ginzkey-CulpJulia Bertha „Juultje“ Culp wurde am 6. Oktober 1880 als Tochter von Sara (geb. Cohen) und Baruch Culp in Groningen (NLD) geboren. Sowohl sie als auch ihre Schwester Bertha Julia „Betsy“ (1884-1958) erhielten in ihrer Jugend Violin- und Klavierunterricht. Nach der Entdeckung von Culps Gesangstalent wurde sie zunächst in Groningen unterrichtet und ging Mitte der 1890er-Jahre zur weiteren Ausbildung durch Cornelia van Zanten nach Amsterdam. Nach Abschluss ihrer Studien begann sie ab 1900 als Liedsängerin aufzutreten, unterbrach ihre beginnende künstlerische Laufbahn jedoch kurz darauf zugunsten einer Ausbildung bei Etelka Gerster in Berlin (DEU). Ab 1903 setzte sie ihre Karriere als Liedsängerin fort und feierte bis Ende der 1910er-Jahre weltweit Erfolge. Ihre Auftritte führten die als ‚holländische Nachtigall‘ bezeichnete Culp – unter anderem von ihrer Schwester als Pianistin begleitet – sowohl durch Europa als auch nach Nord- und Südamerika. Nach der Scheidung vom Ingenieur Erich Merten (1869-1933), den sie 1905 geheiratet hatte, ehelichte sie 1919 den in Maffersdorf (Vratislavice nad Nisou, CZE) ansässigen Industriellen und Abgeordneten des Herrenhauses im Parlament Wilhelm Ginzkey (1856-1934). Vor der Heirat war sie aus dem Judentum ausgetreten, 1922 konvertierte sie zum katholischen Glauben. Seit der Eheschließung trat sie nur mehr gelegentlich, vor allem für wohltätige Zwecke, auf und war als Gesangspädagogin tätig.
1937 wurde Culp mit der Abhaltung eines Meisterkurses für künstlerischen Liedgesang an der mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien) betraut; pro Semester sollte sie einen Kurs mit einer Dauer von sechs bis acht Wochen abhalten. Wann sie ihre Lehrtätigkeit erstmalig antrat, ist nicht eindeutig feststellbar. Die Anmeldungen für das Wintersemester 1937/38 waren bis zum 10. November möglich, vermutlich erstreckte sich die Kursdauer von etwa Mitte November bis Ende Dezember. Im Jänner 1938 erfolgte die Vereinbarung, dass „die nächste Abhaltung Ihres Meisterkurses vom 21. Februar bis 7. April“ stattfinden würde.
Nach dem ‚Anschluss‘ trat Culp mit einem auf den 15. März 1938 datierten Schreiben von ihrer Lehrtätigkeit an der Akademie zurück, wobei sie „gesundheitliche Gründe“ angab, die sie zwängen, in ihre Heimat zurückzukehren. Wieder in ihrem Haus in Hammer (Hamr, CZE), in dem sie seit dem Tod ihres Mannes lebte, bereitete sie ihre Übersiedlung in die Niederlande vor, deren Staatsbürgerschaft sie beantragte und Ende des Jahres wiedererhielt. Im Juli 1939 floh sie aus dem mittlerweile von Deutschland okkupierten ‚Reichsprotektorat Böhmen und Mähren‘ und bezog gemeinsam mit ihrer Schwester eine Wohnung in Amsterdam. Als die deutschen Truppen in den Niederlanden einmarschierten, war Culp erneut von der nationalsozialistischen Verfolgung bedroht. Ihr nicht als Jude geltender Neffe bemühte sich um den Schutz seiner Mutter und Tante. Mitte September 1942 meldete er die Schwestern als seit dem 10. September vermisst; die beiden tauchten getrennt voneinander unter. Den größten Teil der darauffolgenden Zeit lebte Culp versteckt bei dem Bildhauer Bertus Sondaar in Loenen aan de Vecht. Als ihr Neffe 1944 – unter anderem mit Hilfe Wilhelm Furtwänglers – erreichen konnte, dass sie nicht mehr von Verfolgung bedroht war, lebte sie wieder gemeinsam mit ihrer Schwester in Amsterdam.
In der Nachkriegszeit konnte Culp recht bald die Restitution ihres in der Zeit des Nationalsozialismus verlorenen Immobilienbesitzes in der Tschechoslowakei erwirken. Der Rechtsstreit um den Wiedererhalt ihrer 1941 beschlagnahmten Kunst- und Antiquitätensammlung gestaltete sich als langwieriger Prozess, der bis Ende 1950 dauerte.
Julia Culp-Ginzkey führte in der Folge ein eher zurückgezogenes Leben und erteilte noch gelegentlich Privatunterricht in Amsterdam, wo sie am 13. Oktober 1970 starb.
Quellen / Literatur:
mdw-Archiv: 175/Res/1937; 2592/1937 P2; 14/Res/1938; 84/Res/1938.
archief.amsterdam: Indexen, Archiefkaarten Amsterdam.
wiewaswie.nl: Abfrage Julia Bertha Culp.
Cathleen M. Giustino, Julia and Her Things. Restitution, Racism, and Connections in and Beyond the Sudetenland, in: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder, Bd. 59, H. 1 (2019), S. 3-49, insbes. S. 30-32.
K. J. Kutsch und Leo Riemens, Großes Sängerlexikon. Vierte, erweiterte und aktualisierte Auflage, Bd. 1, München 2003, S. 964-965.
resources.huygens.knaw.nl: A.W.J. de Jonge, Artikel „Culp Julia Bertha (1880-1970)“.
genteam.at: IKG-Austritte 1915-1945.
parlament.gv.at: Artikel „Ginzkey, Karl“.
deepl.com: Übersetzungen aus dem Niederländischen.Empfohlene Zitierweise:
Erwin Strouhal: Julia Culp-Ginzkey, in: Gedenkbuch für die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (https://gedenkbuch.mdw.ac.at/gedenkbuch/persons//e1ddb1b2-1f38-4922-bb79-8b08f2b8ee1c/)Letzte Änderung: 14.11.2024